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Archiv-Artikel

Fünf Kilometer Zaun gegen das ungute Gefühl

40. BERLIN-MARATHON Am Wochenende strömen über 40.000 Läufer-, Skater-, Handbiker- und RollstuhlfahrerInnen auf die Straßen. Beim Jubiläumslauf ist etwas anders als sonst: Nach dem Bombenanschlag von Boston wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft

VON JENS UTHOFF

Eigentlich steht der Stadt ja ein Fest bevor: Der Berlin-Marathon erlebt am Sonntag seine 40. Auflage, wird langsam zum Best-Ager – passend dazu soll es eine zünftige Straßenparty geben. Sogar ein neuer Weltrekord könnte aufgestellt werden, der Kenianer Wilson Kipsang will die Rekordmarke bei angekündigten idealen Temperaturen angreifen.

Überlagert wurde die Vorfreude bisher allerdings durch das Thema Sicherheit. Hintergrund: der Terroranschlag auf den Boston-Marathon vor gut fünf Monaten, der bei den Veranstaltern großer Laufevents für ein Umdenken gesorgt hat. In diesem Jahr wurden daher die Absperrungen im Start- und Zielbereich geändert: Zwischen Tiergartenstraße und John-Foster-Dulles-Allee gibt es eine vergrößerte Sicherheitszone, die mit insgesamt fünf Kilometern Zaun umstellt ist. Das hat der Bezirk Mitte zur Auflage gemacht. Laut den Veranstaltern von SCC Events, die dafür gut 170.000 Euro draufzahlen, wirken sich die Änderungen nur auf wenige Menschen aus: „Es betrifft nicht Hunderttausende im Publikum, sondern hauptsächlich die Läufer“, so Pressesprecher Thomas Steffens.

Die gut 40.000 Läufer werden ebenso wie das Publikum in diesem Abschnitt an Eingangsschleusen vom Security-Dienst überprüft. Veranstalter Mark Milde spricht von „stichprobenartigen Kontrollen“ in diesem Bereich. Taschen und Rucksäcke würden kontrolliert. „Man sollte nicht so tun, als sei nun alles neu – es gab bisher schließlich auch schon einen Zaun und einen abgesperrten Bereich“, sagt Steffens. „Nun ist er eben etwas größer. Nach Boston musste man sich ja irgendwie verhalten.“

Und was meinen die Läufer? „Man hat ja leider Gottes gesehen, wie schnell man Opfer eines Anschlags werden kann“, sagt Matthias Freitag vom Leichtathletik-Club „Stolpertruppe Berlin“. „Auch vorher hat man schon gedacht, dass ein Lauf mit 40.000 Menschen ein Anschlagsziel sein könnte, und ein komisches Gefühl gehabt.“ Er hat Verständnis für die Maßnahmen, solange sie gut organisiert sind: „Nervig wird es, wenn man an den Eingangsschleusen ewig ansteht. Kurz vor dem Lauf muss das nicht sein.“ Die Atmosphäre werde aber nicht leiden, glaubt er.

Vonseiten der Polizei wie auch des Bundeskriminalamts (BKA) hält man sich zur Gefahrenlage bedeckt: „Konkrete Hinweise auf Anschläge liegen nicht vor“, hieß es am Dienstag in einer Standardmitteilung der Berliner Polizei gegenüber der taz, die Sicherheitsstandards würden bei einer Veranstaltung dieser Größenordnung eben durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt. Auch das BKA spricht nicht von einer erhöhten Gefahrenlage. Etwa 1.000 Polizisten sollen am Sonntag im Einsatz sein, dazu 430 Mitarbeiter der Security-Firma, mit der SCC Events kooperiert.

Die Veranstalter mutmaßen, dass es bei den Auflagen auch darum geht, die Öffentlichkeit von der ständigen Notwendigkeit eines Zauns am Tiergarten zu überzeugen. Hintergrund: Der Baustadtrat von Mitte, Carsten Spallek (CDU), plädiert für die Errichtung eines dauerhaften Zauns um den östlichen Tiergarten, mit dem die dortigen Events besser zu kontrollieren seien – der Senat prüft derzeit die von Spallek eingereichten Unterlagen. Aber der Plan ist umstritten: In der Bezirksverordnetenversammlung Mitte gibt es Widerstand dagegen.