: „Kinder haben 100 Sprachen“
ERÖFFNUNG Von der Reggio-Pädagogik lässt sich ein Kinderhaus inspirieren, das heute eröffnet
■ 39, Erzieher und zertifizierte Fachkraft für Reggio-Pädagogik, arbeitet seit neun Jahren für den Elternverein Knaddeldaddel.
taz: Herr Schröder, wieso machen Sie jetzt ein Reggio-Kinderhaus auf?
Mark Schröder: Anlass war die Erweiterung hier: Der Verein Knaddeldaddel betreibt ja schon lange eine Kindergruppe am Osterdeich. Dass wir jetzt beim neuen Haus in der Feuerkuhle gesagt haben, wir stellen bewusst das pädagogische Konzept nach vorne, hat auch mit meinem persönlichen Weg zu tun.
Inwiefern?
Ich habe die Reggio-Pädagogik vor vier Jahren auf einer Bildungsreise eben nach Reggio-Emilia kennengelernt. Und da habe ich gemerkt: Das ist genau, wie ich mit Kindern arbeiten will.
Was ist denn das Besondere an Reggio-Pädagogik?
So ganz knapp verkürzt: Sie sagt: Kinder haben 100 Sprachen, um sich auszudrücken …
… also viele Möglichkeiten …
… ja, und diese Fähigkeiten, die sonst zurückgedrängt werden und reduziert auf eine einzige, anerkannte Sprache, will sie gerade fördern, indem sie das forschende und lernende Kind in den Mittelpunkt stellt …
… wie Montessori…?
Vieles von Montessori findet sich in der Reggio-Pädagogik wieder. Gerade dieses berühmte Motto: ‚Hilf mir, es selbst zu tun‘, und die eher beobachtende Rolle der Erzieher – das finden wir gut.
Aber Reggio teilt nicht die Zielvorstellung von Montessori, die ja sehr rationalistisch ist, sondern legt mehr Wert auf die individuelle Kreativität?
Das trifft es ganz gut. Das hängt auch mit dem politischen Hintergrund dieser Pädagogik zusammen.
Dem politischen Hintergrund?
Ja, der Ansatz hat sich ja aus der Erfahrung des Kriegs und des Faschismus entwickelt – aus der Überzeugung, dass es nie wieder zu einer Diktatur kommen darf. Eine der Wurzeln sind sogar die Partisanenverbände gewesen.
Weil die den Panzer erobert hatten, der dann zerlegt und als Altmetall verkauft wurde, um das erste Kinderhaus zu finanzieren?
Noch direkter: Die Frauen in den Partisanen-Verbänden hatten eine eigene Kinderbetreuung organisiert – eben um die Hände frei zu haben für den Kampf. Die Erziehung der Kinder wurde dort als gemeinschaftliche Aufgabe wahrgenommen. Das wurde auch nach dem Krieg fortgeführt, um die Kinder im Sinne einer offenen Gesellschaft zu erziehen. INTERVIEW: BES
Infos: www.knaddeldaddel.de