: Das Exil ist wie ein Krokodil-park
In Uganda werden kritische Journalisten verfolgt, ich erhielt Morddrohungen
VON MOSES OKILE EBOKORAIT (UGANDA)
Morddrohungen für Journalisten nach Razzia in den Büros der Weekly Message – Bewaffnete beschlagnahmen Akten“, so lautete eine der Schlagzeilen, mit der die inzwischen eingestellte Zeitung Weekly Message am 29.Mai 2009 erschien. Im Bericht hieß es, dass sieben bewaffnete Männer des gefürchteten Geheimdienstes am 20. Mai 2009 eine rabiate Razzia in den Büros der Zeitung durchgeführt hätten. Als Erstes fragten die Bewaffneten an diesem Tag nach dem Verfasser dieses Artikels, Moses Okile Ebokorait. Doch glücklicherweise war ich damals nicht im Büro und ich bin bis heute nicht mehr dorthin zurückgekehrt.
Die Razzia war als Strafaktion gedacht – gegen mich und die gesamte Zeitung –, weil wir einen Bericht darüber veröffentlicht hatten, dass Ugandas Präsident General Yoweri Kaguta Museveni bewusst einen Hinweis der Uganda Workers Union über mögliche Betrügereien bei der nationalen Sozialversicherung missachtet hatte. Der National Social Security Fund ist als halbregierungsamtliche Agentur verantwortlich für die Erhebung, Verwaltung, sichere Anlage und Auszahlung der Renten von Angestellten des privaten Sektors.
Der Artikel beschrieb, wie Regierungsbeamte in wichtigen Positionen gemeinsam mit leitenden Angestellten des NSSF über 11,2 Milliarden Uganda Shillings veruntreut hatten. Anstatt die Presse dafür zu loben, dass sie diesen Skandal aufgedeckt hatte, zog der Präsident es vor, unabhängige und kritische Medien zu verfolgen.
Ein Stipendium rettete mich
Meine Chefs hatten aber ein zweimonatiges Journalistenstipendium zur Weiterbildung in Deutschland für mich organisiert. Es war die ideale Gelegenheit, dem Chaos in der Redaktion zu entkommen. Obwohl es äußerst riskant war, gelang es mir, Uganda am 6. Juni 2009 über den Flughafen von Entebbe zu verlassen, denn die Polizei hatte nie Haftbefehl gegen mich erlassen. Nur der Geheimdienst wird bei illegalen Razzien gegen die Medien eingesetzt, um bei Journalisten größtmöglichen Schrecken zu verbreiten. Das konnte man auch vor kurzem wieder beobachten, als vier Nachrichtenagenturen Ugandas geschlossen wurden.
Mit Entführungen, Zensur, geheimen Attentaten und anderen Druckmitteln versuchen die herrschenden Kräfte eine Atmosphäre der Angst zu erzeugen, um damit die „kritischen“ Medien und die Opposition zu zähmen. In vielen Fällen wird der unabhängige Journalismus von der Regierung als ein Medium der Opposition und damit als Feind angesehen.
Als ich meinen Kurs in Deutschland begann, verbrachte ich viele schlaflose Nächte damit, darüber nachzudenken, was wohl mit mir geschehen würde, sollte ich je nach Uganda zurückkehren. Die Geschichte von den unterschlagenen Fonds beherrschte noch immer die Nachrichten, und es sah nicht danach aus, als würde sich das bald ändern. Meine Kollegen hielten mich auf dem Laufenden und warnten mich davor, zurückzukehren. Die zwei Monate, die der Kurs dauern sollte, näherten sich dem Ende, und schließlich blieb mir keine andere Wahl, als um politisches Asyl zu bitten.
Die Zukunft wurde damit immer ungewisser, denn ein neues Leben als Flüchtling zu beginnen, war etwa so, als würde man in eine Art Krokodilpark hineinspazieren.
Ich stand nun vor mehreren Herausforderungen: der Sprachbarriere, dem Verlust meines sozialen Status, dem Fakt, dass mich die deutschen Einwanderungsbehörden zu einer Nummer gemacht hatten. Ich hatte auch kein Recht auf Ausbildung, nur eingeschränkte Bewegungsfreiheit und für zweieinhalb Jahre keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Noch schmerzhafter aber war vielleicht, so lange von meiner Familie getrennt zu sein. Und die Entscheidung, mir politisches Asyl zu gewähren oder nicht, schien ewig zu dauern. In meinem Fall erklärte das Außenministerium, es gäbe keine klaren Beweise, dass ich verfolgt würde – obwohl ich ein ganzes Dossier vorgelegt hatte. Es bedurfte der Unterstützung von Reporter ohne Grenzen, die den Fall eingehend untersuchten. Am Ende reichten die Beweise. Dennoch waren die Erfahrungen im Exil unangenehmer, als ich gedacht hatte. Obwohl ich für die nächsten drei Jahre eine Aufenthaltsgenehmigung habe, geht der Kampf für mich weiter.
In Uganda hat sich die Lage für Journalisten bis heute nicht geändert. Die Pressefreiheit wird unterdrückt, und es ist immer wieder schmerzhaft, Artikel zu lesen, die sichtlich unter Druck entstanden sind. Journalisten werden bezahlt, damit sie nicht zu unabhängig werden, und das hat die Ausübung des Journalismus in Uganda korrumpiert. Ein Mangel an verlegerischer Unabhängigkeit bedeutet immer, dass die Pressefreiheit geopfert wird und mit ihr die Werte der sozialen Verantwortung.
■ Moses Okile Ebokorait, geboren 1975, musste 2009 Uganda verlassen. In Deutschland schreibt er für verschiedene Magazine und online. Jüngst erschienen Texte von ihm in: „ICH BIN unSICHTBAR“ (bluespots productions, Diedorf, 2012). Übersetzung: Thomas Pampuch