Erweiterung des Spielfelds

DEBÜT-ALBUM Nach sechs Jahren war es Zeit für einen Tonträger: KLANK feiern die Veröffentlichung ihres ersten im Gerhard-Marcks-Haus mit einem Konzert

„Wir stehen auf laut. Anders geht so etwas auch gar nicht“

Tim Schomacker, KLANK

VON ANDREAS SCHNELL

Es ist gewiss ein etwas wohlfeiler Kniff, sich als Band nicht einfach „Band“ zu nennen. In letzter Zeit wurde in diesem Zusammenhang nicht selten und in verschiedenen Schreibweisen das Wort Kollektiv in die Runde geworfen, auch Ensemble klang gut. Assoziationen mit sozialen Praktiken, aber auch Erinnerungen an ferne kulturelle Sphären enthoben so das eigene Tun dem Ruch schnöden Musizierens.

Inwieweit die Resultate dem ästhetisch widersprechen, differiert beträchtlich. Während Ensemble in der Musik ursprünglich nicht mehr bezeichnet als eine Gruppe gemeinsam Musizierender, findet der Begriff gemeinhin eher Verwendung in der sogenannten klassischen Musik als im Pop und steht gemeinhin für eine kleinere Gruppe von Solisten im Unterschied zum Orchester. Das unlängst in Bremen gastierende Disco Ensemble hat beispielsweise weder mit dem einen Bestandteil seines Namens noch dem anderen viel zu tun, sondern ist eine klassische Rockband.

Am anderen Ende des Spektrums steht: KLANK. Das Bremer Quartett, bestehend aus Reinhart Hammerschmidt, Hainer Wörmann, Tim Schomacker und Christoph Ogiermann, bezeichnet sich als „MusikAktionsEnsemble“. Binnen- und Komplettgroßschreibung sind natürlich Programm. Der Name verweist in lautmalerischer Comic-Kürze auf das, was KLANK-Perkussionist Tim Schomacker einmal so formulierte: „Wir stehen auf Laut. Anders geht so etwas auch gar nicht.“ Dieses „so etwas“ bezog sich konkret auf das Filmprojekt „Und befreien sie von was“, ist aber auch generell anwendbar auf das Tun von KLANK.

Nicht dass es dabei immer nur laut zuginge. KLANK wären nicht die, die sie sind, erschöpfte sich ihre Arbeit im großen Lernen. Was uns kalauernd zu einem anderen Projekt bringt, das uns hilft, dieses Ensemble zu begreifen: „Großes Lernen“ bezog sich vor vier Jahren auf „The great learning“ von Cornelius Cardew, britischer Stockhausen-Schüler, der seine radikaldemokratischen Ideen ästhetisch umzusetzen suchte, indem er u. a. besagtes Werk für Menschen ohne musikalische Ausbildung konzipierte und somit gleichsam die Errungenschaften der freien Improvisation mit der Vorwegnahme des Konzepts der „Genialen Dilettanten“ kombinierte.

Was die Arbeit von KLANK somit und überdies auszeichnet, ist ihre Anschlussfähigkeit: Immer wieder sucht das Ensemble nach neuen Kollaborationen aus eigentlich sämtlichen künstlerischen Disziplinen. Chöre, Maler, Filmemacher, Solisten und Performance Artists zählen dazu, was noch nicht war, dürfte eines Tages passieren. Schwierig erscheint vor dem geschilderten Hintergrund das Vorhaben, etwas davon auf einem Tonträger festzuhalten. Vielleicht hat es deshalb auch so lange gedauert: Im sechsten Jahr ihres Bestehens veröffentlicht die Formation nun ihr Debüt-Album.

Nahe liegend wäre die Lösung gewesen, ein Album nicht als Repräsentanz des KLANK-Kosmos zu verstehen, sondern als eigene Form, an der es sich abzuarbeiten gilt. Darin erschöpft sich der schlicht „KLANK“ betitelte Tonträger indes nicht. Aufgenommen im vergangenen Sommer im Bremer Sendesaal, wurde das Material im Anschluss bearbeitet, „um die performative Praxis von KLANK an den Grenzen von freier Improvisation und zeitgenössischer Komposition – die bei Konzerten und musiktheatralen Bühneneinlassungen immer eben auch sichtbar ist (und sein soll) – in einen Hörraum zu übersetzen – und zugleich das Spielfeld zu erweitern“, wie das Ensemble formuliert. Zwischen Soundscapes und konzeptionellen Stücken wie „Die mechanische CD“, in dem der Tonträger selbst Material der Klangerzeugung ist, entfaltet sich die Musik von KLANK hier, keineswegs immer laut, aber doch laut zu hören, um dem Geräuschreichtum auf die Spur zu kommen.

Zur Veröffentlichung präsentiert sich KLANK im Gerhard-Marcks-Haus heute konzertant mit der auch auf dem Album zu hörenden Sängerin Friederike Menz, flankiert von Gesprächen mit Arie Hartog und Dramaturg Tarun Kade, am Sonntag setzen sich die Musiker in der Mobilen Galerie des Künstlers Stefan Hempen ins Verhältnis zu dessen „Moorsoldaten“. Und im November setzt es „modulares Musiktheater“ in der Kulturkirche.

■ Samstag (heute), 20 Uhr, Gerhard-Marcks-Haus; Sonntag, 15 Uhr, Mobile Galerie vor Krulls Hus, Hauptstr. 14, Lorup; CD erschienen bei aufabwegen, www.aufabwegen.de