piwik no script img

Archiv-Artikel

Pyramiden in Bosnien höher als in Ägypten

Forscher behaupten, die ersten europäischen Pyramiden entdeckt zu haben. Gestern begannen die Ausgrabungen

VISOKO taz ■ Auffällig war der Berg von Visoko, der Visocica, schon immer. Der 200 Meter über dem Städtchen aufragende Berg sieht vom Zentrum aus wie ein gleichschenkliges Dreieck. Doch niemand dachte wohl, dass es sich dabei um ein künstlich geschaffenes Objekt handeln könnte. Doch genau dies behauptet jetzt der aus der Region stammende und in Houston, Texas lebende 45-jährige Pyramidenforscher Semir Osmanagic. Gestern begannen die ersten systematischen Ausgrabungen der von ihm ins Leben gerufenen Stiftung „Archäologischer Park, Bosnische Sonnenpyramide“.

Sollte seine These richtig sein, wäre dies natürlich eine wissenschaftliche Sensation. Die Geschichte Europas müsste umgeschrieben werden. Und so regten sich sogleich skeptische Stimmen. Keine Kultur in diesem Teil Europas sei vor tausenden von Jahren in der Lage gewesen, ein solches Bauwerk zu schaffen, erklärten Archäologen in Bosnien und im Ausland. Doch die Kritik ficht den auf der ganzen Welt tätigen Pyramidenforscher nicht an. Auf allen Erdteilen habe es Pyramiden gegeben, warum nicht auch in Europa, fragt er.

Dass es sich in Bosnien sogar um ein System von Pyramiden handelt, will der umtriebige Osmanagic jetzt beweisen. Auffällig sei, dass die Kanten des Berges nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet sind. Der so genannten Sonnenpyramide, also dem Berg Visocica, lägen zwei kleinere Berge gegenüber, die ebensolche Merkmale aufwiesen. Osamagic spricht deshalb ein bisschen scherzhaft von einer Mond- und Marspyramide. Aufnahmen aus dem Weltraum wiesen auf künstliche Strukturen hin. Unterschiede bei den Temperaturen der Pyramiden und des umliegenden Landes seien ein Hinweis auf menschliche Tätigkeit.

Die Pyramiden in Visoko seien aber nicht mit jenen in Ägypten oder Mittelamerika vergleichbar, die ganz künstlich geschaffen wurden, so Osmanagic. Bei den Pyramiden in Visoko – die Sonnenpyramide in Visoko sei dreimal so hoch wie die größten in Ägypten – handele es sich wahrscheinlich um Berge, die zu Pyramiden umgestaltet wurden. Dafür sprächen erste Bohrungen. Sie förderten Schichten von mit Menschenhand bearbeiteten Sandsteinplatten zutage, die auf einem Kiesbett lägen. Doch sicher könne man sich bisher nicht sein. Erste Begehungen von Geologen hätten ergeben, dass der Berg aus Stufen bestehen könnte. Die „Pyramiden“ seien durch ein System von unterirdischen Gängen miteinander verbunden, erklärt der ebenfalls in den USA lebende Geologe Amer Smailbegovic, der gestern mit einer Gruppe von Forschern in das Tunnelsystem eindrang. Nach 200 Metern habe die Gruppe eine Höhle erreicht, von der mehrere Gänge abzweigten.

Nach den Satellitenaufnahmen und den bisherigen Erkenntnissen schätzen die Forscher die Länge des Tunnelsystems auf um die 16 Kilometer ein. Für den gestrigen Tag war die Ankunft von internationalen Forscherteams angekündigt. Die aus Bosnien stammenden Amerikaner wollen Experten aus vielen Ländern an den Ausgrabungen beteiligen. Doch bisher reagieren diese skeptisch, und keines der Teams ist erschienen. Deshalb wollen Osmanagic und Smailbegovic möglichst schnell Beweise vorlegen, die das Interesse des Auslands an den Ausgrabungen wecken könnten.

Skeptiker gibt es aber auch in Bosnien. Denn auf dem Berg Visocica befanden sich im Mittelalter zeitweise die Hauptburg der bosnischen Könige vor der türkischen Eroberung und eine Ansiedlung. Die Gänge hätten auch im Mittelalter geschaffen werden können, erklären sie. Die auf dem Plateau des Berges befindlichen Bauwerke stammten aus dieser Zeit und aus der Zeit des Römischen Reiches, das dort wohl ein Militärlager unterhielt. Außerdem gebe es die Sage, eine bosnische Königin sei vor Belagerern durch die Tunnel aus der Burg geflohen. Osmanagic sei kein ausgebildeter Archäologe und sollte mit den Ausgrabungen zurückhaltend sein, bis ausländische Experten eintreffen. Dass die bosnische Flagge des Mittelalters aus einer Sonne und einem Halbmond besteht, wollte Osmanagic nicht kommentieren. „Wir freuen uns aber, wenn wir einmal gute Nachrichten aus diesem Land in die Welt senden können. Die Existenz europäischer Pyramiden ist eine solche.“

ERICH RATHFELDER