: Eon darf neues AKW in Finnland bauen
ATOMKRAFT Regierung erteilt Genehmigung für zwei Reaktoren. Kosten für aktuelles Projekt explodieren
Finnland setzt weiterhin auf Atomstrom: Am Mittwochabend erteilte die Regierung in Helsinki eine grundsätzliche Genehmigung zum Bau von zwei neuen Reaktoren. Einer soll vom gleichen Bauherrn wie das derzeitige Neubauprojekt Olkiluoto 3 errichtet werden – dem privaten Stromkonzern „Teollisuuden Voima“ (TVO). Grünes Licht bekam auch das Konsortium „Fennovoima“ mit der deutschen Eon und mehreren Industriekonzernen als Anteilseignern. Sie wollen einen Reaktor in Nordfinnland an der Ostsee und in unmittelbarer Nähe zu Schweden errichten.
Finanzminister Jyrki Katainen begründete den Beschluss mit wirtschaftlichen und ökologischen Erwägungen. Der zusätzliche Atomstrom werde den CO2-Ausstoß senken, das Land werde Selbstversorger auf dem Energiesektor werden und Wirtschaft und Beschäftigung stärken.
Die Grünen sind in Finnland Regierungspartei und haben sich gegen die Genehmigungen ausgesprochen. Aus ihrer jetzigen Niederlage wollen sie aber offenbar keine Konsequenzen für ihre Regierungsbeteiligung ziehen. Das war 2002 noch anders: Nachdem der Neubaubeschluss für Olkiluoto 3 ergangen war, verließen sie die damalige Mitte-links-Koalition.
Nach dem Regierungsbeschluss muss jetzt noch das Parlament den AKW-Neubauten zustimmen – vermutlich bereits vor der Sommerpause. Dort scheint eine Mehrheit sicher. Stimmen, die der Regierung aus den eigenen Reihen fehlen, dürften vor allem von den oppositionellen Sozialdemokraten kommen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist skeptischer. In einer kürzlichen Meinungsumfrage hatten sich 51 Prozent der Befragten gegen und nur 34 Prozent für einen weiteren Ausbau der Atomenergie ausgesprochen.
Würden die beiden nun prinzipiell genehmigten Projekte tatsächlich verwirklicht – weder technische Einzelheiten noch ein Zeitplan sind bislang bekannt –, würde sich die finnische Atomstromproduktion mehr als verdoppeln. Derzeit sind vier ältere Reaktoren mit einer Leistung von 2.700 Megawatt in Betrieb. Seit einem Jahr sollte eigentlich bereits der neue Reaktor Olkiluoto 3 – geplante Leistung 1.600 Megawatt – Strom liefern. Doch wie in dieser Woche bekannt wurde, wird sich dessen Fertigstellung nun weiter verzögern. Vermutlich erst 2014 und damit fünf Jahre später als ursprünglich geplant werde er ans Netz gehen, meldete die Tageszeitung Helsingin Sanomat unter Berufung auf den Bauherrn TVO.
WWF Finnland kritisierte den Regierungsbeschluss und forderte die Parlamentsabgeordneten auf, gegen ihn zu stimmen. Ein solches Ausbauprogramm werde den Umstieg auf eine nachhaltige Energieproduktion für lange Zeit blockieren. Greenpeace sieht eine Zukunft Finnlands als massiver Atomstromexporteur. „Im Gegenzug bleiben wir auf dem Atommüll sitzen“, sagt der Greenpeace-Energieexperte Lauri Myllyvirta: Finnland würde pro Kopf der Bevölkerung der größte Atommüllproduzent der Welt werden.
Vor einer Realisierung steht erst einmal die Frage, wie die beiden Projekte rentabel werden können. Die tatsächlichen Baukosten in Olkiluoto belaufen sich mit 6 Milliarden Euro mittlerweile bereits auf fast das Doppelte. Und 3.190 Euro kommen jede Minute hinzu. REINHARD WOLFF