: Evo und die Emissionen
KLIMASCHUTZ Trotz blöder Scherze in seiner Eröffnungsrede bestimmt Boliviens Präsident Evo Morales die Agenda des alternativen Gipfels über die Rechte von „Mutter Erde“
AUS COCHABAMBA GERHARD DILGER
Auf dem Campus der Valle-Universität ist Evo Morales allgegenwärtig: In den Reden seiner Fans aus dem In- und Ausland, auf riesigen Plakaten an Unigebäuden oder an Ständen diverser Ministerien, auf Buchdeckeln oder Stellwänden. Schließlich hatte Boliviens Staatschef nach dem Scheitern der Klimakonferenz in Kopenhagen zur „Weltkonferenz der Völker über Klimawandel und Rechte der Mutter Erde“ eingeladen, gekommen sind über 20.000 AktivistInnen aus 130 Ländern.
In einem nahegelegen Luxushotel gibt Morales eine Pressekonferenz. Die Fragen beantwortet er en bloc – eine beliebte Methode, um unbequeme Themen auszuklammern. Und doch ist dieser Auftritt weitaus überzeugender als seine Eröffnungsrede vom Dienstag. Da scherzte er noch, dass weibliche Hormone industriell hochgezüchteter Hühner Homosexualität auslösten und der Verzehr von genmanipulierten Lebensmitteln Ursache für grassierenden Haarausfall sei.
Jetzt regt Morales die Gründung einer internationalen Organisation ein, die sich für die Rechte von „Mutter Erde“ einsetzen soll. Zudem soll im April 2011 ein globales Referendum über die Verwendung der weltweiten Militärausgaben von gut 4 Milliarden Dollar täglich organisiert werden: „Die wirkliche internationale Verteidigung muss die Verteidigung von Mutter Erde sein.“ Als weitere Maßnahme schlägt er die Gründung eines Klimatribunals vor. „Es geht nicht mehr um Kapitalismus, Sozialismus oder Kommunismus, sondern um etwas Tieferes, ein neues planetarisches Paradigma“, erklärt er. „Wenn wir die Rechte der Natur verteidigen, dann verteidigen wir auch die Menschenrechte.“ Die Ratlosigkeit, in die der Berliner Mauerfall die internationale Linke gestürzt habe, sei nun vorbei.
Zur Förderung der Bodenschätze, dem von Umweltschützern kritisierten „neuen Extraktivismus“, sieht er allerdings kurz- und mittelfristig keine Alternative, ebenso wenig zum Bau neuer Überlandstraßen. Hinter den Protesten gegen solche Projekte steckten Nichtregierungsorganisationen, die die Bevölkerung manipulierten.
In der Arbeitsgruppe „Wälder“ geht es hoch her, da feilschen SpezialistInnen um jede einzelne Formulierung. Schließlich setzten sich die Kritiker des Emissionshandels gegenüber den regierungsnahen Funktionären aus Venezuela oder Bolivien durch. Vorsitzende Camila Moreno aus Brasilien lobt den „wunderbaren Konsens“, den man erreicht habe: „Anders als bislang in der Klimakonvention dürfen künstlich angelegte Monokulturen wie Eukalyptusplantagen nicht als Wälder betrachtet werden, und die Rechte der Indígenas müssen ausdrücklich berücksichtigt werden.“
Besonders freut sie sich über das klare Nein zum Emissionshandel als „neoliberalem Mechanismus“ zur Privatisierung von Urwäldern. Stattdessen wünsche man sich die Einrichtung von freiwilligen Fonds, die auf der Anerkennung der „Klimaschulden“ des Nordens gründen. „Das ist ein ganz entscheidender Unterschied“, sagt Moreno, „wir wollen keine Almosen des Nordens als Gegenleistung für sogenannte Umweltdienstleistungen, sondern die Anerkennung, dass er uns das schuldet. Wir wollen die ökologische Restaurierung der Wälder durch die Völker.“
Die Beschlüsse der Wäldergruppe sind das klarste Beispiel dafür, wie sich Positionen, die selbst bei Südamerikas fortschrittlichen Regierungen noch keine Chance haben, auf der Konferenz Gehör verschaffen können. Denn das ist das Neue an Cochabamba: Durch Druck von unten scheint es wieder möglich, marktbasierte, von der internationalen Klimadiplomatie ersonnene Mechanismen in Frage zu stellen, deren Haupttriebfeder der Profit von Privatunternehmen ist.
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