: Denn ihr könnt uns gern haben
Der „Spiegel“-Kulturchef wirbt für Deutschland und erklärt, warum sein neues Buch in jeden Bundeswehr-Tornister gehört
INTERVIEW GINA KEHAYOFF
Matthias Matussek, Ihr neues Buch „Wir Deutschen“ erscheint im Mai im Fischer Verlag. Nicht nur der Untertitel „Warum die anderen uns gern haben können“ klingt gefährlich.
Es gibt eine ganze Menge von Gründen, die Deutschen gern zu haben. Nirgendwo gibt es so schöne Frauen, nirgendwo so tolle Autos, nirgends so viele Konzertsäle. Und was die Politiker angeht: Neben Chirac wirkt unsere Kanzlerin doch regelrecht schön. Und neben Putin demokratisch. Und neben Bush intelligent. Und neben Blair ehrlich.
Wenn sich allerdings herumspricht, dass viele unserer Topseller wie Autos, Haushaltgeräte und Panzer nicht ausschließlich in Deutschland hergestellt werden, sind wir dann möglicherweise unten durch? Was bleibt uns dann noch übrig, wenn die Perfektion der Deutschen nicht mehr Made in Deutschland ist?
Nationen verhalten sich unter den Bedingungen des globalen Marktes wie Markennamen. Japan steht für High-Tech, auch wenn die Sachen in Malaysia zusammengeschraubt werden, und Deutschland steht für Qualität. Der Verbraucher – meinetwegen auch der saudische Panzerkäufer – nimmt einfach an, dass die deutschen Qualitätsmaßstäbe auch dort angelegt werden, wo Deutsche nur produzieren lassen. Doch, und auch darüber geht mein Buch: Ich finde es prima, dass wir Wirtschaftswunderdeutschen Federn gelassen haben und erst dadurch erkannt haben, dass es auch jenseits des wirtschaftlichen Erfolges cool ist, Deutscher zu sein.
Empfinden Sie nicht auch Scham, wenn Sie an die deutsche Geschichte denken?
Nein. Aber Traurigkeit darüber, dass Menschen Menschen so etwas antun können und immer noch antun, und das bezieht sich genauso auf die Opfer der russischen Gulags, der chinesischen Revolutionen, des Gemetzels in Kambodscha oder Ruanda. Scham nicht, aber Ärger, manchmal, wenn ich denke: Wie konnten wir nur über unser eigenes Volk im Wahn so herfallen, die deutschen Juden gehörten zu unseren Besten, hier haben sie sich mehr wohl gefühlt als irgendwo sonst in anderen europäischen Ländern, wie sehr fehlen die heute, wir haben unsere eigene Kultur zerstört. Aber, und das ist das Gute, ich glaube, wir Deutschen sind heute das hellhörigste Volk, wenn es darum geht, Rassismus und Antisemitismus und andere wahnhafte Ismen zu erkennen und zu bekämpfen.
Ist Ihr Buch angesichts der europäischen Integration nicht geradezu revisionistisch?
Mein Lieblingsthema: Die Franzosen, die Holländer, die Briten sowieso, sagen sich: Lass uns erst mal Franzosen, Holländer, Briten sein und dann mal schauen, was bei diesem Europa für uns herausspringt. Wir Deutschen dagegen wollten unter Umgehung einer nationalen Identität gleich zu Supereuropäern werden. Bloß raus aus der eigenen Geschichte, aus der eigenen Identität. Das ist neurotisch und klappt nicht. Wir sollten erst mal Deutsche werden und stolz sein auf das, was wir haben. Wäre doch schön, wenn wir begännen uns darin wohlzufühlen. Ich tue es. Ich finde es prima, nicht auf der Straße erschossen zu werden, wie es einem in Rio passieren kann, und in ein ordentliches, sauberes Krankenhaus zu kommen, auch wenn ich arm bin, statt zu krepieren, wie es in New York oder London passieren kann.
Die Belgier dürfen nicht im Rahmen eines UNO-Einsatzes in den Kongo, ihr Ruf ist dort zu schlecht. Können wir unseren Ruf und unser Selbstwertgefühl nicht nur mit Ihrem Buch, sondern auch mit der Bundeswehr aufbessern?
Mit beidem. Mein Buch gehört absolut in jeden Bundeswehr-Tornister und damit auf die Brennpunkte dieser Erde. Das Buch wird noch im entferntesten Winkel der Welt klar machen: Wir kommen in guter Absicht.
Sie haben fünfzehn Jahre im Ausland gelebt, geliebt und gearbeitet. Waren Sie dort jemals der „hässliche“ Deutsche?
Es waren insgesamt nur zehn. In Rio waren wir Deutschen populär wegen unserer Ordnung und in New York wegen der Künstler. Nur in England waren wir die „hässlichen“ Deutschen. Aber jetzt gucken Sie sich mal die Engländer an!
Oliver Kahn ist in Japan beliebt, Jens Lehmann in England. Wer ist Ihrer Meinung nach der bessere Botschafter?
Pierre Littbarski, der in Japan wie ein Gott verehrt wird und ein absolut unwiderstehlicher Lächler ist. In England übrigens brauchen wir keine Botschafter. Es hat sich herausgestellt, dass die Engländer am liebsten und ausschließlich über Hitler reden, ein Botschafter wird da, wenn überhaupt, nur als Spielverderber wahrgenommen. Man sollte die Engländer unter sich lassen.
Nach zehn Jahren Erfahrung im Ausland arbeiten und leben Sie nun besser in Deutschland? Sind Sie hier glücklich?
Wir sind sehr glücklich, die ganze Familie. Hamburg ist eine der schönsten Städte der Welt, und die Menschen hier haben viel mehr Geschmack als die Engländer, und sie haben mehr Zeit als die New Yorker, und sie sind verlässlicher als die Cariocas in Rio. Aber Sie sollten mal einen Autofahrer in Rio erleben, dem man die Vorfahrt nimmt. Nein, ich glaube, wir haben es hier ganz gut.