: Abstrakte Begriffe
KULTUR Mit der „Deaf Week“ wollen Gehörlose anderen Menschen ihren Alltag näherbringen. Wer hören kann, hat im Gebärdensprachfilm wenig zu lachen
VON SEYDA KURT
In einem sonst völlig lautlosen Kinosaal weint plötzlich ein Baby, und es stört keinen der Anwesenden. Denn im Rahmen der Gebärdensprachfilmwoche wurden im Berliner Babylon Kino Filme für Gehörlose vorgeführt. Beim US-amerikanischen Film „The Legend of the Mountain Man“ füllen zwei Klassen von Gehörlosenschulen den Saal, unter ihnen Schüler der Berliner Ernst-Adolf-Eschke-Schule. Es ist ein lustiger Film, der im amerikanischen Montana spielt und von den alltäglichen Problemen einer fünfköpfigen Familie handelt. Wie der Regisseur und Drehbuchautor Mark Wood sind auch die Schauspieler gehörlos und die Unterhaltungen ausschließlich in Gebärdensprache. Für Zuschauer, die die Gebärdensprache nicht verstehen, ist der Film in Deutsch untertitelt.
Wenn die gehörlosen Zuschauer lachen, kann man als hörender Zuschauer oft nicht mitlachen. Hauptsächlich sind es nämlich die Situationskomik und die Körpersprache der Schauspieler, die den Gehörlosen lustig erscheinen und für andere eher ungewohnt sind – ebenso wie die ausdrucksstarken Mimiken der Darsteller. An ihnen erkennt man so gut wie jede Tonlage, in der sie eigentlich sprechen würden.
In den rein visuellen Gehörlosenfilmen gehe es hauptsächlich um Bildsprache, erzählen die Organisatoren der Filmwoche. Jedes Land habe eine eigene Gebärdensprache, sagt Projektleiter Andreas Döltgen. Deutsche Gehörlose verstehen in dem englischsprachigen Film zwar Grundsätzliches, aber keine abstrakten Begriffe.
Taube Community
Die Gebärdensprachfilmwoche zeigte Spielfilme, Kurzfilme und Dokumentationen aus acht verschiedenen Ländern, darunter aus Deutschland, Tschechien, aus der Schweiz und Südkorea. Sie ist ein Teil der „Deaf Week“, die zum dritten Mal in Berlin stattfand und vom Gehörlosenverband Berlin e. V. organisiert wurde. Mit Ausstellungen, Sportaktivitäten und Bilderbuchvorstellungen in Gebärdensprache soll den Berlinern die Kultur der tauben und gebärdensprachlichen Community nähergebracht werden. Auch die Ernst-Adolf-Eschke-Schule beteiligte sich mit einer Reihe analoger Kunstfotografien in der Berlinischen Galerie. Im Zusammenhang mit der Fotoausstellung „Trona“ des Fotografen Tobias Zielony haben drei Klassen der Sekundarstufe mit analoger Kunstfotografie experimentiert.
Wäre den Gehörlosen schon geholfen, wenn Mainstream-Kinos ihre Filme untertiteln würden? „Die Politik sollte die Kinos dazu verpflichten“, sagt Döltgen. Im Moment müsse er aber immer auf die DVD-Veröffentlichungen der Filme warten, da insbesondere deutsche Kinoproduktionen kaum und auch im Fernsehen nur rund 10 Prozent der Sendungen untertitelt seien.