UNTERNEHMENSTEUERN: EINSEITIGE RECHNUNG DES ZEW : Falsches Jammern auf falschem Niveau
„Konjunkturkiller“, „Gift für das Wachstum“: Das Aufjaulen in Wirtschaft und Politik nach Kurt Becks Forderung, die Steuern in Deutschland mittelfristig zu erhöhen, war so reflexartig wie erwartbar. Dabei hat der künftige SPD-Chef nur eine Selbstverständlichkeit ausgesprochen: Ein Staat, der in Bildung, Infrastruktur und Gesundheit investieren soll, braucht Geld. Mehr Geld, als mit der aktuellen Steuerquote von 20 Prozent für den Fiskus zusammenkommt. Verantwortlich für die Schieflage der Staatsfinanzen sind die gescheiterte Arbeitsmarktpolitik, ein kontraproduktiver Sparkurs und ungerechte Steuersenkungen.
Dass die Gewinne von Unternehmen in Deutschland im europäischen Vergleich zu hoch besteuert werden, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ausgerechnet hat, ist nur scheinbar ein Argument, im internationalen Wettlauf um Steuersenkungen mitzumachen. Denn das ZEW betrachtet lediglich fiktive Steuerbelastungen, die ein Unternehmer vor einer Investition in Betracht zieht. Keine Rolle spielen für sie die Steuern, die die Unternehmen tatsächlich zahlen. Denn die sind in Deutschland seit Jahren rückläufig. Gerade Kapitalgesellschaften zahlen, wenn sie alle legalen Steuertricks ausnutzen, gerade einmal ein Drittel der vom ZEW ermittelten 36 Prozent Gesamtbelastung. Und das ist zu wenig.
Problematisch sind in Deutschland allerdings die hohen nominalen Steuersätze, die am Ende niemand bezahlt und die vor allem einem Heer von Steuerberatern die Honorare sichern. Nötig ist eine Reform der Unternehmensteuern, die dafür sorgt, dass jedes Unternehmen einen fairen Beitrag für die Gesellschaft leistet. Wenn Steuerschlupflöcher geschlossen werden, können auch die nominellen Steuersätze sinken.
Allerdings ist nicht anzunehmen, dass der Wirtschaft wirklich an Steuertransparenz gelegen ist. Schließlich zeigt Deutschland als Exportweltmeister, dass angeblich hohe Steuersätze die Unternehmen nicht wirklich vom Standort Deutschland abschrecken. Lieber ist ihnen dann doch, auf hohem Niveau zu jammern und ihre Gewinn steuerfrei ins Ausland zu verschieben. Das ZEW hilft ihnen zumindest bei Ersterem. TARIK AHMIA