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Archiv-Artikel

Krank arbeiten statt krankfeiern

Unternehmer sparen: Krankenstand 2005 auf neuem Tiefstand. Nur psychische Erkrankungen nehmen zu

BERLIN ap/taz ■ Beschäftigte in deutschen Unternehmen melden sich immer seltener krank. Wie die Betriebskrankenkassen mit ihren 6,9 Millionen Versicherten am Dienstag mitteilten, sank der Krankenstand 2005 auf 3,5 Prozent – das niedrigste Niveau seit Beginn der Statistik 1976.

Anfang April hatte bereits die DAK mit ihren 4,8 Millionen Versicherten einen weiteren Rückgang der Krankschreibungen gemeldet. Laut Bundesgesundheitsministerium lag auch im Januar und Februar 2006 der Krankenstand extrem niedrig. BKK-Versicherte – und das ist jeder vierte Arbeitnehmer in Deutschland – fehlten 2005 im Schnitt 12,7 Kalendertage. 2004 hatten die Beschäftigten laut BKK-Statistik noch 13 Tage gefehlt und 2003 im Schnitt 13,5 Tage. Die längsten Fehlzeiten wurden 1980 mit 26 Tagen registriert. Im vergangenen Jahr waren 44 Prozent der Beschäftigten keinen einzigen Tag krankgeschrieben. Weitere 22 Prozent erkrankten über das gesamte Jahr maximal eine Woche.

Die Krankheitszeiten seien sowohl in den gewerblichen als auch den Dienstleistungsbranchen gesunken, erklärten die BKK. Bei den Beschäftigten der Abfallbeseitigung, die aufgrund der hohen gesundheitlichen Belastungen die meisten Fehltage hätten, habe es 2005 einen Rückgang um rund einen halben Tag gegeben. Auch Branchen mit extrem niedrigen Krankenständen wie Banken und Versicherungen hätten Rückgänge um einen halben Tag gemeldet.

Häufigste Krankheitsursachen sind laut BKK Muskel- und Skeletterkrankungen, gefolgt von Atemwegserkrankungen, Verletzungen und psychischen Erkrankungen. Seit Beginn der Neunzigerjahre habe sich der Krankenstand über alle Krankheitsarten nahezu halbiert. Allein die psychischen Erkrankungen nähmen unvermindert zu. Ihr Anteil an den Krankheitstagen habe sich seit 1990 mehr als verdoppelt.

Schon zu Anfang des Jahres hatte das Bundesgesundheitsministerium ermittelt, dass der Krankenstand 2005 allgemein auf einem historischen Tiefststand von 3,3 Prozent lag. Dies habe zu einer deutlichen Entlastung der Arbeitgeber durch sinkende Lohnnebenkosten geführt. 2005 seien kalendertäglich nur noch gut 907.000 Pflichtmitglieder der Krankenkassen krankgeschrieben gewesen. Durch den Rückgang des Krankenstandes allein im Jahr 2004 seien die Kosten der Lohnfortzahlung um rund eine Milliarde Euro vermindert worden, ähnliches gelte für 2005.

Die Gründe für den Rückgang des Krankenstands werden vor allem in der Arbeitsmarktlage vermutet: Die Arbeitnehmer fürchten um ihren Job, „feiern“ weniger krank und kommen tatsächlich auch krank zur Arbeit. Gleichzeitig nimmt dank betrieblicher Prävention die Zahl klassischer Arbeitsunfälle ab. Als wichtiger Faktor allerdings gilt auch die Verdrängung chronisch Kranker aus dem Arbeitsleben – in die Frühverrentung oder die Langzeitarbeitslosigkeit.