ZWISCHEN DEN RILLEN : Dramaturgie zum Anfassen
Michaela Melián: „Monaco“ (Monika/Indigo)
Wenn Stücke für klassische Instrumente geschrieben werden, nennt man das zeitgenössische Komposition oder Moderne Klassik. Wenn neben analogen Instrumenten auch elektronische – beispielsweise Synthesizer – benutzt werden, spricht man von Electronica. Ist diese Musik gemächlich, mit einer überschaubaren Tonfolge in reduziertem Tempo, darf die Bezeichnung Minimalismus nicht fehlen.
All das vereint „Monaco“, das dritte Soloalbum der Münchner Künstlerin und Musikerin Michaela Melián (sonst Bassistin bei der Band FSK). Allerdings ohne sich im Spezialistentum zu verirren. Was daran liegt, dass die neun Stücke ihres neuen Albums Merkmale aufweisen, die ihre Musik im Kern zusammenhalten. Meliáns vornehmlich klassische Instrumentation mit Klavier und Streichern fällt durch den besonderen Klang von Violoncello, spanischer wie elektrischer Gitarre und Banjo auf. Die 57-Jährige spielt alle Instrumente selbst. Dazu kommen Synthesizer und elektronische Effekte. Das Tempo ihrer Musik ist betont langsam, was den Eindruck von Schwere vermittelt, den einzelnen Tönen aber auch Zeit – gleich Raum – zum Klingen gibt.
Insgesamt wirkt „Monaco“ schlicht und reduziert, Melián verzichtet auf verspielte Läufe und anderes melodiöses Beiwerk. Die Gesamtkomposition eines Stückes verteilt sie auf die einzelnen Instrumente, so dass es erst durch das Zusammenspiel zum Ganzen wird („Reprise“ zeigt ein solches kompositorisches Versatzstück) – wie bei einem Mosaik.
Der Kern ist Melancholie
Besonders deutlich wird das in „Delta of Venus“: Zunächst hört man Akkorde von einem gedämpft klingenden Klavier, im Hintergrund ein verhaltenes Rauschen. Dazwischen ein einzelner Synthesizerton. Nach und nach setzen die Instrumente ein: Gitarren, Harfe, Streicher, Glöckchen, Drums. Allesamt von bezauberndem Klang. Einzelne Partikel übernehmen kleine Teile, die sich im Verlauf entfalten. Die daraus resultierende Steigerung findet in einer Geschwindigkeit statt, bei der alle mitkommen – Dramaturgie zum Entdecken und Anfassen. Vielleicht daher auch der Titel des Stücks. Doch neben der Merkmale Reduktion und Entschleunigung gibt es noch ein Motiv, den eigentlichen Kern von Meliáns Album: Melancholie. Die Melodien – in ihrem Zentrum das Klavier – sind von trauriger Schwere, die Klangkulisse insgesamt von sanfter und dumpfer Stimmung.
Obwohl die Tracks viel gemein haben, gibt es Akzente – sonst wäre es ja auch langweilig. In „Place Stalingrad“ sind es die Streicher: Sie spielen konstant einen Ton, schwellen lediglich an und ab, wodurch sie eine Fläche erzeugen. Im Zusammenspiel mit der Melodie des Klaviers schleicht sich manchmal ein Hauch Dissonanz ein, für Momente klingt es schief, angenehm schief. Im Verlauf arbeiten sich die Streicher aus ihrer anfänglichen Rolle als Begleitung heraus und entwickeln sich zu einem zentralen Motiv: am Ende, das Klavier hat seinen Part längst beendet, spielen sie noch eine ganze Weile weiter. Da kann man sie deutlich hören: die Fläche mit ihren angenehm schiefen Momenten. So ähnlich geht es weiter: anspruchsvoll, aber nicht sperrig. Homogen, aber nicht langweilig. Mittendrin und völlig unerwartet wummern E-Gitarren das berühmte Riff aus „Scary Monsters“ von David Bowie. Eine Coverversion. Einfach so, inmitten des eigentlich ganz anderen Kontexts des Albums, klingt das richtig gut.SONIA GÜTTLER