Auch in Bremen brannten die Häuser

NEONAZIS Zwei Initiativen dokumentieren rechte Gewalt in Bremen. Eine neue interaktive Karte des „Bremer Schattenberichts“ zeigt die Fälle seit 1985 – 24 Brandanschläge blieben ungeklärt

„Es ist klar, dass hier nur zufällig niemand ums Leben kam“

Ole Stürmann, „Bremer Schattenbericht“

Bremen gilt als eher linkes Bundesland. Doch auch hier kommt es seit Jahren zu fremdenfeindlichen Anschlägen und neonazistischer Gewalt. Zwei Initiativen haben die rechte Gewalt in Bremen dokumentiert. Nun ist eine interaktive Karte online, Mitte Oktober folgt eine Broschüre.

„Wir machen euch fertig, ihr linken Schweine“, riefen die Neonazis, als sie die Kneipe „Hart Backbord“ in Walle überfielen und Gäste verletzten. Das war im Oktober 1985, die Angreifer gaben sich als Mitglieder der später verbotenen Partei FAP aus. Der Überfall ist der älteste Eintrag in einer Chronik des Blogs „Bremer Schattenbericht“. Seit Anfang des Monats sind auf einer interaktiven Karte 41 Fälle von rechten Gewalttaten den Orten des Geschehens zugeordnet. Der letzte Eintrag führt nach Woltmershausen, wo im Juli 2012 Nachbarn die Tür einer türkischen Einwanderer-Familie in Brand setzten und rechte Parolen riefen.

„Die Dunkelziffer ist hoch, nicht jeder Fall wird angezeigt“, sagt Ole Stürmann, der Sprecher des Blogs. Mit der Chronik hat er angefangen, als er die Listen der Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 durchging. Bis zu 183 Namen sind darauf verzeichnet, Bremen taucht nicht auf. Aber: „Schaut man auf die Gewalttaten, dann ist klar, dass hier nur zufällig niemand ums Leben kam“, so Stürmann. Anschläge mit Molotow-Cocktails, Überfälle mit Messern und Baseball-Schlägern – aufgeführt hat er nur die Fälle, bei denen die neonazistische Gesinnung der Täter klar war, Propaganda-Delikte sind nicht enthalten.

Recherchiert hat er vor allem in Pressearchiven. Denn die offizielle Dokumentation der Strafverfolgungsbehörden ist bis heute lückenhaft: Erst 2001 wurde die Erfassung politisch motivierter Straftaten reformiert. Nachdem die Diskrepanz zu inoffiziellen Chroniken zu groß wurde, beschlossen die Innenminister, fortan auch fremdenfeindliche Tatmotive als Kriterium für eine rechte Gewalttat aufzuführen und nicht nur Bestrebungen eines politischen Umsturzes zu dokumentieren.

„Rechte Gewalt kommt immer dann zum Vorschein, wenn Leute auch ein Auge darauf haben“, so Stürmann. Nicht aufgeführt sind in der Chronik des Schattenberichts 24 ungeklärte Brandanschläge auf Asylbewerberheime oder Moscheen. Sie häuften sich Anfang der 1990er.

Besonders den Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte widmet sich eine Chronik der Bremer Gruppe „C3“, die neben Presseartikeln auch das Archiv des Bremer Infoladens durchforstete. Mitte Oktober soll sie als Broschüre erscheinen. „Die Brutalität hat mich schon überrascht, Familien sind nur knapp dem Tod entgangen“, sagte ein Sprecher der Gruppe. „Als in den 1990ern in ganz Deutschland Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verübt wurden, brannten auch in Bremen die Häuser.“ Darin ist er sich mit Stürmann einig: „Vor allem, wenn man Bremerhaven und Bremen-Nord betrachtet, hat Bremen ein Neonazi-Problem wie andere Orte Deutschlands.“  JEAN-PHILIPP BAECK

www.bremer-schattenbericht.com