: Irgendwie und irgendwo beleidigt
POSSE Der Berliner AK 07 darf nur eingeschränkt behaupten, dass Fans und Offizielle bei Lok Leipzig rassistisch beschimpft wurden
BAK-PRESSESPRECHER INGO MÜLLER
Es ist ein schwer zu bewertender Fall, der sich Anfang September dieses Jahres im Leipziger Bruno-Plache-Stadion zutrug. Während der Regionalliga-Partie 1. FC Lokomotive Leipzig gegen den Berliner AK 07 (BAK) hatte es Tumulte und wüste Beschimpfungen auf der Tribüne gegeben.
Zunächst erklärten etliche Fans und Offizielle des Berliner Klubs, es sei auf der Tribüne zu üblen rassistischen Beleidigungen und Bierbecherwürfen gegenüber Verantwortlichen des BAK gekommen – und teilten dies auch via Presseerklärung mit.
Am vergangenen Freitag aber ist es den Berlinern vom Landgericht Leipzig untersagt worden, dies öffentlich zu behaupten. Die dort geäußerten Beleidigungen seien nicht rassistischer Natur gewesen, habe man dort festgestellt – so weit hingegen äußert man sich von Seiten Lok Leipzigs.
Von Berliner Seite heißt es mittlerweile hingegen: „Es ist uns nicht untersagt worden, von rassistischen Beleidigungen auf der Haupttribüne zu sprechen“, erklärt Ersin Nas, Rechtsanwalt des BAK. Es gehe lediglich um die Beleidigungen im VIP-Raum, die körperlichen Übergriffe und die Bierbecherwürfe, auf die das Landgericht sich in der Unterlassungserklärung bezogen habe. Der Berliner AK prüft derzeit, in Berufung zu gehen.
Während auf Berliner Seite vor allem Vereinsverantwortliche vor Gericht ausgesagt hatten, fand sich unter den Zeugen auf Seiten von Lokomotive Leipzig der CDU-Abgeordnete Thomas Feist, der für die sächsische Hauptstadt im Bundestag sitzt. „Er war im Stadion und ist aus freien Stücken auf uns zugekommen“, betont Lok-Sprecher René Gruschka. Feist war gestern für Rückfragen der taz nicht zu erreichen.
Es geht dabei auch um die Geschichte eines Klubs, dessen Fans ohnehin ein schlechtes Image haben. Gruschka sagt: „Wenn unsere Fans Scheiße bauen, dann stehen wir auch dazu, das haben wir in den vergangenen Wochen bewiesen.“ Er spielt darauf an, dass man kurz zuvor auch mit Stadionverboten reagiert hat, als Fans gegen Babelsberg rechtsradikale Parolen gegrölt hatten – sie hatten im Spiel gegen die Filmstädter unter anderem „NSU“ skandiert.
Von Seiten des BAK hört es sich weiterhin nicht danach an, als sei man mit dem Urteil in der jetzigen Form einverstanden: „Ich sehe keine Veranlassung, Leuten, die ich seit Jahren hier aus dem Verein kenne, nicht zu glauben“, sagt BAK-Pressesprecher Ingo Müller.
„Es gibt Beleidigungen, die man nicht hinnimmt, und rassistische gehören zweifelsohne dazu.“ Müller betont aber auch: „Es geht nicht gegen den Verein oder die Mannschaft Lok Leipzig.“
Bei Lokomotive will man sich weiter gegen das schlechte Image der Anhängerschaft wehren: „Ich habe den Eindruck, dass sich hier einiges bewegt hat in den vergangenen Monaten“, sagt Fanprojektleiterin Sarah Köhler. Und sie behauptet: „Unter der neuen Vereinsführung ist es hier in Leipzig zum ersten Mal so, dass der Klub öffentlich gegen Diskriminierung und Rassismus einsteht.“ So ist wohl auch zu erklären, dass die Klubfunktionäre überhaupt vor Gericht gezogen sind.
Die derzeitige Vereinsführung unter Präsident Heiko Spauke hat sich in den letzten Monaten häufig gegen Rechtsextremismus in den eigenen Reihen ausgesprochen – Spauke, heute FDP-Mitglied, war hingegen mal Mitglied bei den „Republikanern“, bezeichnet die Mitgliedschaft heute als „Fehler“. Er wies zuletzt des Öfteren darauf hin, dass im Lok-Jugendbereich Spieler aus 28 Nationen ein Zuhause fänden und dass der Verein gegen rechte Fangruppierungen weiter angehen wolle.
Auch wenn man in der Sache juristisch gegeneinander vorgeht, spricht sich BAK-Präsident Mehmet Ali Han für eine Annäherung beider Seiten aus – und schlägt gar ein gemeinsames Freundschaftsturnier gegen Rassismus vor. „Wenn Lok Leipzig wirklich etwas gegen Rassismus tun will, würden wir gerne ein solches Turnier mit ihnen veranstalten“, sagt er. Von Lok-Seite aber hat man von Ali Hans Vorschlag noch nichts vernommen.
JENS UTHOFF