: Durchsuchung bei Kriegsgegnern
ANTIMILITARISMUS Nach der Razzia in einem linken Buchladen filzt die Polizei einen Internet-Provider
Die Polizei hat am Montag die Räume des alternativen Internetproviders SO36.net durchsucht. Nach Aussage eines Mitarbeiters sollten zwei Server beschlagnahmt werden. Die beiden Staatsanwälte vor Ort hätten jedoch nach Rücksprache davon abgesehen, da das Vorgehen „nicht verhältnismäßig“ gewesen sei. Die Beamten nahmen aber mehrere Rechner und Festplatten aus der Privatwohnung eines Mitarbeiters mit. Die Staatsanwaltschaft bestätigte die Durchsuchungen.
Die Polizei war nach Angaben der Betroffenen auf der Suche nach den Verantwortlichen für die Website bamm.de des Berliner Landesverbandes der Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). In dem Zusammenhang war bereits in der vergangenen Woche der Buchladen „Schwarze Risse“ im Mehringhof durchsucht worden, dessen Adresse im Impressum der Website steht. In dem Durchsuchungsbeschluss, der der taz vorliegt, wird den Verantwortlichen unter anderem vorgeworfen, „den im Ausland stationierten Soldaten der Bundeswehr ein Lebensrecht abzusprechen“. Es bestehe der Verdacht eines „Vergehens nach §130, 185 StGB“. Das sind die Paragrafen für Volksverhetzung und Beleidigung.
Gemeint ist ein Flyer auf der Website, mit dem für einen „Tag Y“, an dem deutsche Soldaten in Afghanistan ums Leben kommen, zum „Schampussaufen“ aufgerufen wurde. Günther Schütz, aktiv im Landesverband der DFG-VK, ordnet die Aktion als „satirische Provokation“ ein. Das habe sich spätestens aus einer Änderung des Aufrufs Anfang April ergeben, der die Aktion in das Haus der Deutschen Wirtschaft verlegen sollte. Explizit von einer „offenherzigen, antimilitaristischen Satire“ ist jedoch erst in einem ergänzenden Absatz aus der vergangenen Woche die Rede.
Als Satire gedacht
„Wir haben offenbar das Verständnis der Leute für Satire völlig überschätzt“, räumt Schütz ein. Dennoch habe der Aufruf sein Ziel erfüllt: Er habe der linken Szene Denkanstöße gegeben; im Landesverband der DFG-VK sei eine Debatte über „Widerstandsformen, die über Ostermärsche und Menschenketten hinausgehen“ ins Rollen gekommen. Schütz vermutet, dass die Durchsuchung nicht die letzte im Zusammenhang mit dem Flyer gewesen sein könnte. Die Anzeigen zu dem Verfahren kamen laut Staatsanwaltschaft unter anderem aus dem Bundesverteidigungsministerium. SVENJA BERGT