Gläserner Mensch

ZUKUNFT Ein Gespräch mit dem Futuristen Max Celko über die Möglichkeiten der Erweiterten Realität

„Künftig sind die Kommentare eben virtuell direkt an den Körper geheftet“

„Augmented Reality“ (AR) ist eine computergestützte Realitätserweiterung, praktisch heißt das: Man richtet die Handykamera auf den Eiffelturm, und auf dem Handy steht dann, wie hoch er ist. Ähnliches könnte auch mit Menschen möglich werden.

taz: Herr Celko, virtuelle und reale Welt verschmelzen allmählich. Freuen Sie sich darauf?

Max Celko: Ja klar, das wird spannend. Die Menschheit und die Technik entwickeln sich doch in eine gute Richtung.

In einem möglichen Szenario kann man in der AR künftig Kommentare zu wildfremden Menschen schreiben, die man auf der Straße sieht. Andere bekommen sie dann auf ihrem Handy eingeblendet. Dann taggen mich fremde Leute mit „doof“ und jeder kann es lesen?

Das ist doch schon jetzt so. Auf Facebook können Sie auch schreiben, dass ich doof sei. Künftig sind die Kommentare eben virtuell direkt an den Körper geheftet. Dasselbe System wird einfach in eine neue Dimension übertragen.

Niemand muss auf Facebook ein Konto eröffnen. Künftig allerdings könnte im öffentlichen Raum jeder ein kommentierbares Objekt sein, ohne eigene Kontrolle.

Es wird sicherlich möglich sein, dass Sie Tags über sich wieder löschen oder irgendwie kontrollieren können. Vielleicht können Sie sich dem auch ganz entziehen. Aber der soziale Druck, die neue Technik zu nutzen, wird genauso hoch sein, wie heute ein Handy zu haben oder Mails zu schreiben.

Wie weit ist die Technik?

Für Handys gibt es bereits Anwendungen wie den Browser Layar: Sie filmen die Umgebung, und auf dem Bildschirm blendet das Programm Informationen darüber ein. Die Zukunft gehört aber Brillen mit eingebauten Bildschirmen. Als Zukunftsvision sind auch Augmented-Reality-Kontaktlinsen denkbar.

Muss hier nicht dringend eine Reglementierung zum Schutz der Privatsphäre her?

Das wird nicht funktionieren, das wissen Sie doch. So war es bisher immer. Außerdem können Sie jetzt schon jeden Namen googeln. Bei Gesichtern wird es genauso sein. Das Ende der Privatsphäre klingt eher zum Fürchten.

Jetzt denken Sie doch mal an die positiven Effekte! Im Internet haben sie heute Interessengemeinschaften, die sich dort in einer grenzenlosen Form vernetzen. Künftig wird es Wahrnehmungsgemeinschaften geben. Wenn Sie heute ein Punk sind, dann kleiden Sie sich wie ein Punk. Als Businessmensch wie ein Businessmensch. Menschen mit gleichen Interessen werden künftig zusätzlich die Umwelt gleich wahrnehmen.

Sie glauben, Punks werden AR-Brillen aufziehen?

Klar. Die haben sich doch auch Handys gekauft.

INTERVIEW: INGO ARZT

■ Max Celko, 33, ist Futurist. Er untersucht Trends in Technik und Medien und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft. Eine ausführlichere Version des Interviews finden Sie auf taz.de