AMERICAN PIE : Das Geldwunder
BASEBALL Gegen den Trend haben die Los Angeles Dodgers trotz ihres üppigen Budgets das Playoff-Halbfinale der Major League erreicht
Ein einziger Schlag mit dem Schläger kann alles verändern. Er entscheidet Baseballspiele und befördert Verlierer zu Helden. Dieser „one swing of the bat“ ist ein Versprechen: Jeder kann es schaffen. Deshalb hat er hat in den USA längst eine sprichwörtliche Bedeutung angenommen, er ist das sportliche Äquivalent zum Mythos vom Tellerwäscher, der zum Millionär wird, und deshalb einer der Gründe, warum Baseball so tief in die amerikanische Psyche verwurzelt ist.
An diesem Abend übernahm Juan Uribe die Rolle des Helden. Als er mit seinem Schläger den Ball traf, war das satte Knacken noch in der letzten Reihe des mit mehr als 56.000 Zuschauern ausverkauften Dodger Stadiums zu hören. Als der Ball nach seinem fünf Sekunden langen Flug deutlich hinter dem Zaun wieder zur Erde zurückgefunden hatte, war klar: Die Los Angeles Dodgers hatten auf den letzten Drücker eine 2:3-Führung der Atlanta Braves in einen 4:3-Sieg verwandelt und damit das Halbfinale der MLB-Playoffs erreicht. „Das war ein guter Moment, meinen Job zu erledigen“, sagte ein abgeklärter Uribe nach seinem spielentscheidenden Home Run. Der aus der Dominikanischen Republik stammende Profi hat Erfahrung mit Heldentaten: Vor drei Jahren war es sein Job, den San Francisco Giants, bei denen Uribe damals in Diensten stand, mit fünf Playoff-Home-Runs den World-Series-Titel zu bescheren.
So zufällig der Held Uribe auch sein mag und so unplanbar seine Heldentat, lässt sich der Sieg der Dodgers doch auch lesen als Erfolg des Geldes. Schließlich bezahlt der Klub aus Südkalifornien in dieser Saison seinen Profis die absurde Summe von 216 Millionen Dollar. Der Gegner im Viertelfinale, die Atlanta Braves, müssen sich mit nicht einmal der Hälfte, 89 Millionen, zufrieden geben.
Kein Wunder, dass die Dodgers gewonnen haben, denn wer mehr Geld hat, kann sich bessere Spieler leisten. Könnte man denken. Tatsächlich ist der Trend im Baseball aber gegenläufig: Die New York Yankees, die mit 229 Millionen sogar noch mehr ausgeben als die Dodgers, sind nun, wo es in den Playoffs um den Titel geht, nicht mehr dabei. Von den zehn reichsten Klubs haben nur drei die K.-o.-Runde erreicht. Stattdessen stehen mit den Tampa Bay Rays (57,9 Millionen), Oakland As (60,7 Millionen) und den Pittsburgh Pirates (79,6 Millionen) gleich drei Kirchenmäuse der Liga im Viertelfinale.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Im Baseball gibt es zwar keine Gehaltsobergrenze wie in anderen US-Profiligen, aber in den letzten beiden Jahrzehnten hat die MLB den bis dahin grassierenden Raubtierkapitalismus, wie man ihn aus dem europäischen Fußball kennt, zumindest eingeschränkt. Es wurde ein Finanzsystem eingeführt, das an den deutschen Länderfinanzausgleich erinnert und die Klubs in kleineren Märkten bevorzugt, außerdem müssen die Geldsäcke aus New York, Boston oder Los Angeles eine Luxussteuer zahlen, wenn sie zu viel ausgeben.
Zwar können sich die Yankees oder die Dodgers immer noch nahezu jeden Spieler leisten, aber Oakland oder Tampa Bay sind in der Lage, ihre Defizite auszugleichen, indem sie ihre eigenen Talente entwickeln und modernere Scouting- und Trainingsmethoden anwenden als die wohlhabendere Konkurrenz.
Dass der Teufel aber manchmal immer noch auf den größten Haufen scheißt, beweisen in diesem Jahr die Dodgers. Erst im vergangenen Jahr wurden sie von einer neuen Eigentümergemeinschaft um den ehemaligen Basketballstar Magic Johnson übernommen. Sie haben einen neuen, generös dotierten Fernsehvertrag abschließen können – und machen seitdem den Yankees die Branchenführerschaft streitig. Das mit teuer Geld zusammengekaufte Team brauchte allerdings eine halbe Saison, um sich zu finden. Nach einem katastrophalen Saisonstart spielen die Dodgers jedoch den erfolgreichsten Baseball in der MLB. Das viele Geld schafft aber auch großen Druck. „Es gab sehr große Erwartungen“, sagte Andre Ethier, noch durchnässt vom Jubelsekt nach dem Sieg gegen die Braves. Der Outfielder ist einer der wenigen altgedienten Dodgers, die die Einkaufstour der neuen Besitzer überlebt haben. Er weiß: „Alles andere als der Titel wäre eine riesige Enttäuschung.“ THOMAS WINKLER