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Archiv-Artikel

König gibt Macht ab, um Thron zu retten

Nepals König Gyanendra fordert die Oppositionsallianz zur Ernennung eines Premierministers auf, um eine Rückkehr zur konstitutionellen Monarchie zu ermöglichen. Damit reagiert er auf die auch gestern anhaltenden Massenproteste

AUS KATHMANDUROLF SCHMELZER

Nepals König Gyanendra hat gestern Abend die Allianz von sieben Oppositionsparteien aufgefordert, schnell einen Premierminister zu ernennen. Er sagte nach dem 16. Tag von Massenprotesten gegen seine autokratische Herrschaft in einer Fernsehansprache, er werde die Macht „an das Volk zurückgeben“. Bis ein Premierminister gefunden sei, werde seine Regierung die Geschäfte „unter seiner Führung“ weiter führen.

Oppositionspolitiker kündigten in ersten Reaktionen an, über die Ankündigung des Königs, der damit offenbar an seinem Thron festhalten will, zunächst beraten zu wollen. Das Angebot des Königs könnte für die sehr heterogene Oppositionsallianz zum schwierigen Belastungstest werden. Auch könnte sie der Versuch sein, einen Keil zwischen die demokratischen Parteien und die maoistischen Rebellen zu treiben. Letztere hatten mit einer Waffenruhe im Tal von Kathmandu die friedlichen Proteste unterstützt und die Argumentation des Königs, das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte ziele gegen die Maoisten, entlarvt.

Schon in den letzten Tagen hatte der 58-jährige Monarch versucht, ehemalige und greise Premierminister für die Übernahme des Amts eines Regierungschefs unter seiner Führung zu gewinnen. Doch diese lehnten alle ab und pochten auf eine Mehrparteiendemokratie.

Damit spiegelt ihr Verhalten den Willen der Bevölkerung wider. Die Menschen scheinen nicht bereit, wie noch nach ähnlichen Protesten im April 1990, einen Kompromiss mit einem königlichen Repräsentanten an der Spitze einzugehen. Dazu ist die Demokratiebewegung in den letzten Tagen zu groß und selbstbewusst geworden. Das Volk will eine demokratische Republik, weshalb das Angebot des Königs schlicht zu spät kommen könnte.

Der Student Kumar Shresta, 28, erklärte: „Wir verzichten gern auf die Hälfte unseres Essens wegen des Generalstreiks. Wir verzichten aber nicht mehr auf wirkliche Demokratie! Der König hat uns und der Armee nichts mehr zu befehlen. Die Soldaten, die Polizei, sie alle werden von unseren Steuern bezahlt, nicht vom König! Und das wird ihnen hoffentlich bald bewusst.“

Wieder hatten gestern hunderttausende Menschen entlang der Kathmandu umschließenden Ringstraße demonstriert. Die am Vortag innerhalb des Rings verhängte Ausgangssperre, die mit einem Schießbefehl verbunden ist, war zunächst bis gestern Morgen und dann bis gestern Abend verlängert worden. Innerhalb des Rings demonstrierten zahlreiche Menschen mit dem Geklapper von Töpfen auf den Dächern ihrer Häuser.

Zentren der gestrigen Proteste waren zudem die Vororte Kalanki und Satdobatto. Laut lokalen Radio- und Fernsehstationen, die eigentlich der Zensur unterliegen, demonstrieren im ganzen Land 5 Millionen Menschen gegen den König. Außer aus Kathmandu, wo die Demonstranten auf 300.000 bis 500.000 beziffert wurden, werden auch aus Pokhara, Biratnagar, Nepalgunj, Hetauda Proteste gemeldet.