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LARS PENNING
Eine filmische Einstellung war für Robert Bresson immer eine Frage der Moral: richtig oder falsch, dazwischen gab es für ihn nichts. Mit der gleichen Rigorosität verachtete der Regisseur professionelle Filmschauspieler, mit denen man seiner Ansicht nach bestenfalls abfotografiertes Theater hätte schaffen können. Und so arbeitete Bresson seit seinem dritten Spielfilm ausschließlich mit Laiendarstellern, die er solange durch endlose Wiederholungen ihrer Szenen trieb, bis Mimik und Intonation schließlich die von ihm gewünschte Ausdruckslosigkeit erreicht hatten. Ein sinnliches Vergnügen sind Bressons Filme folglich nicht, denn Emotionen erzeugte der Regisseur nur mit den filmischen Mitteln der Montage, der Einstellungsgröße und der Kamerabewegung. Es ist ein präzises und unerbittliches Kino für den Kopf – so auch Bressons letzter Film „L’argent“, den er 1983 nach einer Novelle von Leo Tolstoi drehte. Darin erzählt der Regisseur mit bitterer Konsequenz von der Entwicklung eines jungen Lastwagenfahrers, an dem ein falscher Geldschein hängen bleibt, zum Mörder. Zuvor ist das Falschgeld wissentlich immer weitergegeben worden, und Bresson zeigt, wie die Reichen dabei immer auf die Füße und die Armen immer auf die Fresse fallen. Jede Einstellung ist ein Hieb. (15. 10., Arsenal 1) Mit seinen ausufernden, oftmals improvisierten Filmen ist Jacques Rivette zweifellos als Antipode zu Bresson zu verstehen, und diesem Ruf wird er auch mit dem 1981 entstandenen „Le pont du nord“ gerecht: In dem aus Kostengründen allein aus Außenaufnahmen bestehenden Film begeben sich die gerade aus dem Gefängnis entlassene Marie (Bulle Ogier) und die jüngere Baptiste (Pascale Ogier), die überall Verschwörungen wittert, auf eine mysteriöse Reise durch Paris, die ihre Inspiration wohl nicht zuletzt auch den fantastischen Paris-Serials des Stummfilmveteranen Louis Feuillade verdankt: Mit einer Vielzahl von angedeuteten Verbrechen und Komplotten, undurchsichtigen Figuren, einem Kinderspiel, das die Protagonistinnen von der Stadtmitte in die Peripherie führt, und einem Kinderspielplatz, der als feuerspeiender Drache reüssiert, wird Paris in „Le pont du nord“ zu einer ebenso realen wie fantastischen Welt. (OmU, 10. 10., Arsenal 2) Ein Verfechter der klassischen Handarbeit im Zeichentrickfilm war zeitlebens der deutsche Regisseur Curt Linda: In „Die kleine Zauberflöte“ (1997), einer freien und kindgerechten Bearbeitung von Mozarts Oper, in der Prinz Tamino und sein lustiger Begleiter Papageno ihre Abenteuer mithilfe von Musikinstrumenten bestehen, wirken die sorgsam ausgeführten Hintergründe zeitweilig wie Gemälde, die Zeichnung der Frauenfiguren erinnert an japanische Holzschnitte. (12. 10.–13. 10., Eiszeit 2)