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: Theorietier

Alien, Marx & Co. Slavoj Žižek – ein Porträt, 0.15 Uhr, Arte

Slavoj Žižeks Bücher wie „Was Sie schon immer über Lacan wissen wollten und Hitchcock nicht zu fragen wagten“ oder „Liebe dein Symptom wie dich selbst“ sind aus den Regalen ambitionierter Kulturwissenschaftsstudenten nicht mehr wegzudenken. Žižek, das ist die cultural-studies-affine Verbindung von Philosophie, Psychoanalyse und Popkultur, in seinen Schriften reichen sich Lacan-Exegese, Postmarxismus und Ideologiekritik Althusser’scher Prägung die Hände. Ob Wagner oder Kafka, Lenin oder „Matrix“, Hegel oder Buñuel – mit schier wahnwitziger Geschwindigkeit arbeitet sich Žižek an allem ab, was ihm in die Finger gerät. Der heute 56 Jahre alte Professor aus Ljubljana ist ein Berserker unter den Denkern, ein renitentes und meist stark schwitzendes Theorietier, dem oft genug mangelnde Ernsthaftigkeit und Scharlatanerie vorgehalten wurde.

Wer ist dieser Slavoj Žižek, fragt Susan Chales de Beaulieu in ihrem dokumentarischen Porträtfilm. Und generiert jede Menge Antwortversatzstücke aus einer flotten Montage von Archivmaterial und frischen Interviews. Beaulieu schafft es, Žižek – der seine Kindheitsfotos verbrannt hat, um nur über sein Werk beurteilt werden zu können – viel Raum für Inhalte zu lassen und trotzdem Aussagen über den Menschen zu tätigen. Schluss ihrer Žižek-Phänomenologie: Der Mann ist ein einziger Exzess. Schon ihn reden zu sehen ist großes Kino: Salvenförmig rattert er, seine Hände fliegen, streichen durch den Bart, schieben Stirnhaare, wischen Schweiß, hacken, fuchteln, unterstreichen. Ohne Scheu vor Plattitüden redet er die Bauform von Toiletten als Materialisierung nationaler Identität herbei: „Frankreich ist der revolutionäre Weg: Die Scheiße muss so schnell wie möglich liquidiert werden. Die angelsächsischen Wassertoiletten sind pragmatisch: Es verschwindet nach und nach. Das Deutsche ist das Dichten und Denken: Man betrachtet und beschnuppert es.“

Der Film „Alien, Marx & Co.“ zeigt einen Schnelldenker und Vielredner, aber auch einen Kontrollfreak, einen Narzissten – und einen fast als Stand-up-Comedian taugenden Demagogen. Gleichermaßen verwundert wie fasziniert betrachtet er ihn als einen letzten seiner Art: als Besessenen, als linken Emphatiker voller Zorn und Vermittlungsdrang. Und das macht richtig gute Laune. KIRSTEN RIESSELMANN