Kreischende Konkurrenz

PORTAL Die deutsche „Huffington Post“ ist gestartet. Der große Star der Seite ist Ursula von der Leyen

Die Huffington Post, herausgegeben von Cherno Jobatey, ist online. Gestern, am 10. 10. um 10.10 Uhr sollte der Startschuss erfolgen. Doch um 10.18 Uhr verlangte die Seite noch immer eine Autorisierung mit Benutzernamen und Passwort. Benutzername „Cherno“, Passwort „Jobatey“ klappt aber nicht. Also warten.

Und dann: „REGIERT ENDLICH!“ Eine riesige Schlagzeile. Darunter: „Schon jeder dritte Deutsche will Neuwahlen“ und ein Foto von Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Gabriel, zwischen den beiden ein rotes Fragezeichen.

Wer runterscrollt, findet das: „Exklusive Umfrage: Immer mehr Deutsche haben genug vom Koalitionspoker … Unions-Spitzen werkeln heimlich an Schwarz-Grün … Wer hat in der SPD die Macht?“ Jeder dieser …-Sätze ist ein Link, mal ist die Schrift grün, mal schwarz, mal rot. Dahinter verbirgt sich zumeist recht wenig.

Die Huffington Post soll das neue große Ding im Internet hierzulande sein, doch die Seite wirkt wie eine Zeitreise in die 90er Jahre, als Netscape noch Marktführer war und die meisten Webseiten von Bastlern am heimischen PC mit Intel-Pentium-II-Prozessor programmiert wurden. Die gelbe Werbung, die die Startseite umrahmt, schmerzt – und beißt sich mit der mintgrünen Schriftfarbe der Dachzeilen und Verknüpfungen. Die Seite, die sich streng am Layout der US-Mutterwebsite orientiert, wirkt billig.

Das passt zu den Kosten, die die zu Burda gehörende Tomorrow Focus AG reinstecken will. Für das Portal sollen lediglich 3 Millionen Euro investiert werden. Innerhalb von zwei Jahren soll es profitabel sein und in fünf Jahren zu den fünf größten Nachrichtenseiten Deutschlands zählen. Die Huffington Post geht dafür einen Weg, den Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner als das „Antigeschäftsmodell für Journalismus“ bezeichnete: Blogger sollen kostenlos schreiben, dazu News aus der 15-köpfigen Redaktion. Geld verdient Burda mit Werbung. Die ersten „Empfohlenen Beiträge“, die in einer Spalte unter dem riesigen Aufmacher stehen, kommen von Ariana Huffington, der US-Gründerin der Huffington Post („Liebe Grüße aus München“), dem deutschen Chefredakteur Sebastian Matthes („Pioniergeist verpflichtet“) und Herausgeber Cherno Jobatey („Der Medien-Regenbogen hat mehr Farben bekommen“).

Dazu darf CDU-Frau Ursula von der Leyen über die Veränderung in der Arbeitswelt rumfloskeln („Chancen der Globalisierung beim Schopf packen“). Darunter tummeln sich Beiträge von Boris Becker, Karstadt-Eigentümer und Finanzinvestor Nicolas Berggruen, Gazprom-Manager Alexander Medwedew und dem Erzbischof Robert Zollitsch. Der Kurs der Huffington Post wird hier schon deutlich: Ein bisschen wirtschaftsliberal, ein bisschen konservativ, ein bisschen Promis, ein bisschen Netzthemen.

Gesammelt werden die Themen in sieben Kategorien: „Politik“, „Wirtschaft“, „Tech“, „Video“, „Good“ , „Entertainment“ und „Lifestyle“. Bild.de und Gala.de haben also Konkurrenz bekommen. Die anderen Platzhirsche – Spiegel Online und Co. – müssen sich weniger Sorgen machen.

Die muss sich auch von der Leyen nicht machen. Sie scheint dort ihr optimales Verlautbarungsorgan gefunden zu haben. Deswegen darf die Bundesarbeitsministerin in einem Video auch noch über Ariana Huffingtons „zauberhaften Akzent“ reden. Neben von der Leyen steht noch eine Journalistin. Sie hält den Fragezettel und das Mikrofon sehr professionell. JÜRN KRUSE