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Archiv-Artikel

Ungarns Koalition kann weiterregieren

Bei der zweiten Runde der Parlamentswahlen gewinnt die sozialistisch-liberale Regierungskoalition eine überraschend deutliche Mehrheit. Der Chef der nationalkonservativen Oppositionspartei Fidesz, Viktor Orban, bietet seinen Rücktritt an

VON KENO VERSECK

Es ist eine Premiere für das postkommunistische Ungarn. Erstmals seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde eine Regierung bei Wahlen bestätigt: Bei der zweiten Runde der Parlamentswahlen, die am Sonntag stattfand, gewann die sozialistisch-liberale Regierungskoalition eine deutliche Mehrheit. Der nationalkonservative „Bund Junger Demokraten“ (Fidesz), der die absolute Parlamentsmehrheit angestrebt hatte, musste eine schwere Niederlage einstecken. Während der sozialistische Regierungschef Ferenc Gyurcsány am Sonntagabend ankündigte, er wolle die sozialistisch-liberale Koalition fortsetzen, bot der seit 15 Jahren autoritär über seine Partei herrschende Fidesz-Chef Viktor Orbán seinen Rücktritt an.

Auf die Ungarische Sozialistische Partei (MSZP) entfallen nach dem vorläufigen Endergebnis 186 Mandate, auf den „Bund Freier Demokraten“ (SZDSZ) 18. Der nationalkonservative Fidesz kommt erhält nur 164 Mandate, das gemäßigt konservative „Ungarische Demokratische Forum“ (MDF) kommt auf 11. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 64 Prozent.

Viele Beobachter werten das Ergebnis als Überraschung. Noch bis kurz vor dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatten Umfragen ein Zwei-Parteien-Parlament und ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden großen Parteien, den Sozialisten und den Nationalkonservativen, vorausgesagt. Für die kleinen Parteien, den liberalen SZDSZ und das konservative MDF, stand demgegenüber der Einzug ins Parlament auf dem Spiel.

In einem stark polarisierten, zuweilen schmutzigen Wahlkampf hatten sich die beiden großen Parteien vorgeworfen, das Land zu ruinieren. Ungarns sozialistischer Regierungschef Gyurcsány warnte vor „Aufrührerei“ und „Radikalismus“ der Nationalkonservativen, die wiederum zogen gegen den „Ausverkauf des Landes an Ausländer“ durch die Sozialisten zu Felde.

Der Fidesz-Chef Viktor Orbán predigte gegen den „schonungslosen wilden Kapitalismus“ und für mehr „ungarische Solidarität“. Vor allem diese schrille nationalistische Rhetorik dürfte Orbán den Wahlsieg gekostet haben. Denn große Erfolge ihrer Regierungsarbeit konnte die sozialistisch-liberale Koalition im Wahlkampf nicht vorzeigen. Seit dem EU-Beitritt des Landes vor anderthalb Jahren leiden vor allem die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie unter großem Konkurrenzdruck. Infolge der Globalisierung werden Billiglohnarbeitsplätze ausgelagert. Reformen, etwa zum Abbau der staatlichen Bürokratie, im Gesundheitswesen oder im Bildungsbereich, ging die Koalition nur zögerlich an, die Sozialpolitik beschränkte sich auf eine dauerhaft nicht finanzierbare Politik der Ausgaben. Vor allem deshalb liegt Ungarns Haushaltsdefizit bei 6 Prozent und damit doppelt so hoch, wie die Brüsseler Vorgaben es mit Blick auf die für 2010 geplante Euro-Einführung erlauben.

Die MDF-Chefin Ibolya Dávid sagte am Sonntag, dass nicht die Koalition die Wahlen gewonnen, sondern die Opposition sie verloren habe. An Orbán und seine Jungdemokraten gewandt, sagte sie, eine rechte Partei dürfe nicht „privateigentums-, ausländer- und bankfeindlich“ sein und nicht mit „Extremisten kokettieren“. Ähnlich kommentierte der Parteichef der Sozialisten, István Hiller, den Wahlsieg der Koalition: Ungarn, so Hiller, habe „Frieden und Ruhe“ gewählt.

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