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Archiv-Artikel

Leserinnenvorwurf

Ein falsches Etikett: „Missbrauch“

Ich kann verstehen, dass Sie die offizielle/juristische Sprachregelung, in bestimmten Fällen von Gewalt dieselbe „Kindesmissbrauch“ zu nennen, nicht immer vermeiden können.

Aber diese Etikettierung immer wieder selbst zu übernehmen, finde ich nicht in Ordnung. „Missbrauchen“ kann man nur, was einem zur Verfügung steht, also Gegenstände oder Werkzeuge. Menschen gegenüber missbraucht man die eigene Macht; wenn man jedoch davon redet, es werde ein Mensch/Kind missbraucht, lässt man die darunter liegende Selbstverständlichkeit der Verfügungsgewalt über diesen Menschen unangetastet.

MARION GNUSCHKE, Kassel

Die taz antwortet

Was schlagen Sie als Alternativbegriff vor?

Liebe Frau Gnuschke,

Sie haben ja recht: Der Begriff „Kindesmissbrauch“ ist sicherlich nicht ganz glücklich, weil er bei genauem Nachdenken auch den Umkehrschluss zulässt, es gebe einen richtigen „Gebrauch“ von Kindern. Was natürlich Unsinn ist.

Aber bei der Verwendung von Worten kommt es vor allem auf die Assoziationen an, die sie im Alltag hervorrufen. Und da steht „Kindesmissbrauch“ eindeutig für sexuelle Handlungen an Minderjährigen.

Zudem gibt es meines Erachtens keinen anderen Begriff, der diesen Tatbestand kurz und knapp charakterisieren würde – weshalb wohl auch Beratungsstellen wie Wildwasser von „sexuellem Missbrauch“ sprechen. Welchen Alternativbegriff würden Sie denn vorschlagen?

Auf dem Index steht bei uns – im Gegensatz etwa zu Zeitungen wie Bild und Welt – übrigens der Begriff des „Kinderschänders“, weil er nahelegt, dass mit den sexuellen Handlungen an ihnen Schande über die Opfer gebracht worden sei. Die taz schreibt stattdessen von „Sexualstraftätern“.

Martin Reeh Leiter des Inlandsressorts