: Schach der Königin
IDYLLENFORSCHUNG Der romantische Landschaftspark auf der Pfaueninsel wird zum zeitgenössischen Kunstparcours. Listig und lustig geht die Ausstellung „Luise. Die Inselwelt einer Königin“ mit dem Erbe der Aufklärung um
VON CLEMENS NIEDENTHAL
Das Markenzeichen hat sich breitgemacht. Hat sich aufgeplustert für die Erwartungshaltungen, die mit der Motorfähre über das kurze Wasser der Havel kommen. Gleich hinter dem Anleger der Pfaueninsel also liegt der erste Pfau in der Rabatte. Und ihm ist tatsächlich zum Radschlagen zumute – was keineswegs als Kommentar zu den neuesten Attraktionen auf der viel besuchten Ausflugsinsel missverstanden werden darf. Der eitle Pfau kennt keinen Olafur Eliasson. Schließlich ist das Leben keine Parabel und die Kunst hier ohnehin nur zu Besuch.
Im Sommer des 200. Todestages der Preußenkönigin Luise hat sich die Kunst in den Landschaftsinszenierungen der Pfaueninsel eingerichtet. Hat sich in die Blickachsen geschoben, die das Eiland als Koordinatensystem einer romantischen Naturbegeisterung durchziehen. Oder sich in den Staffagebauten versteckt, die hier einmal einzig zum Plaisir einer Königsfamilie aufgestellt worden waren. Luises Gemahl Friedrich Wilhelm III. ließ die Pfaueninsel ab 1794 zum Landschaftspark ausbauen, um das Auge und die Sinne zu erfreuen. Womit wir wieder bei der Kunst wären.
Dass die vielleicht gelungenste Arbeit unter den Projekten, mit denen zeitgenössische Künstler auf das historische Ambiente reagieren, vor allem die Sinne täuscht, hat auch etwas mit dem Publikum der Pfaueninsel zu tun. Anders gesagt: Joan Fontcubertas „Institute of Cryptornithology“ lebt auch und gerade von jenen Besuchern, die für bare Münze nehmen, was ein gewisser „Professor Ameisenhaufen“ – der in Barcelona geborene Fontcuberta hatte dieses Alter Ego einmal für eine Ausstellung im Essener Folkwangmuseum entworfen – da in aller Welt zusammengetragen haben will: kuriose Fabelwesen, Monster der Evolution, deren letzte lebende Exemplare im Layout einer wissenschaftlichen Stellwandausstellung porträtiert werden. Gibt es diesen Hasen mit der Entenschnute wirklich?
Unsicherheit macht sich breit – was das „Institute of Cryptornithology“ wiederum selbst zu einer quasi romantischen Institution werden lässt: Lustig-listig unterminieren Fantasie und wissenschaftlicher Gestus den Vernunftbegriff der Aufklärung.
Exzentrisches Wunderland
Auch Sylvie Bussières – warum eigentlich bleibt sie die einzige Frau unter Luises Künstlern? – wählt ein spielerisches Motiv. Eine Schachpartie, in der sich alles um die Königin dreht. Natürlich verweist das auf Lewis Carolls „Alice im Wunderland“. Lewis und Luise, ein exzentrisches Wunderland, eine weltflüchtende Traumlandschaft war auch die Pfaueninsel immer wieder. Im 17. Jahrhundert etwa war die Insel vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm für einige Jahre dem Alchemisten Johannes Kunckel übereignet worden. Gold hatte der auf der Pfaueninsel keines erzeugt. Dafür aber ein paar metaphysische Mythen, von Schwarzer Magie war bald die Rede, die schon zu Luises Zeiten ihre erste Renaissance erleben.
Auf dem Weg zum Nordostufer, dort wo einmal Kunckels Hütte stand, geht es vorbei an den überdimensionalen Eicheln des Holzbildhauers und studierten Philosophen Robert Stieve. Zufällig drapiert liegen sie im Gras unter den Bäumen, von Hunden beschnuppert, von Kindern betatscht. Ein schönes Bild, vermutlich wenig mehr. Und weiter zu Olafur Eliassons Spiegelkabinett „Blind Pavillion“, das zwar, so die Intention des Megastars, direkt auf jenen Johannes Kunckel rekurrieren soll. Eigentlich aber nur Eliasson selbst spiegelt. Ein großer Bluff eben, das also haben der Alchemist und der Artist gemeinsam.
Verweilen mag man dennoch in diesem inszenierten Naturidyll. Etwa auf der Parkbank von Christian Engelmann, die den Sitzenden nach exakt einer Minute sanft abwirft. Eine leise, feine Arbeit, die schlau nach unseren Erwartungen an solche Erlebnisräume forscht, wie sie die Schau „Luise. Die Inselwelt einer Königin“ noch bis Ende Oktober bietet. Macht man es sich also allzu leicht, allzu bequem mit und in der Kunst?
Und macht es sich die vom Daniel-Spoerri-Schüler Michael Lukas kuratierte „Inselwelt“ am Ende auch allzu bequem in dieser romantischen Idylle? Lukas’ eigene Arbeit liefert da eine passable Antwort. Aus buntem Turnhallenbelag rekonstruiert und dekonstruiert er zugleich den Grundriss des 1794 bereits als Ruine entworfenen Pfaueninselschlosses. Dort regiert der imitierte Verfall, der auch im morbiden Geist der Romantik lebte, hier das postmoderne Verweisspiel. Weit entfernt voneinander ist das nicht. Und vielleicht war diese Ruinenschlossherrin Luise ja tatsächlich das „It-Girl“ und die „Working Mum“, als die sie die poppigen Plakate der dreiteiligen Jahrestags-Ausstellungen (im Schloss Charlottenburg geht es um den Mythos, im brandenburgischen Paretz um die Kleider der Königin) bewerben.
■ „Luise. Die Inselwelt einer Königin“. Pfaueninsel, bis 31. Oktober. Bis Ende August tägl. 8 bis 21 Uhr, September bis 19 Uhr, Oktober bis 18 Uhr