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Archiv-Artikel

„Eine gesunde Rivalität ist gut“

FUSSBALL Für Hertha ist der Abstieg zwar bitter, aber für den Sport ist es gut, dass es in der zweiten Liga bald spannende Lokalderbys gibt, sagt Christian Beeck von Union Berlin

Christian Beeck

■ 38, stammt aus Rathenow und spielte für Hansa Rostock und Energie Cottbus in der Fußballbundesliga. Im März 2007 übernahm er bei Union Berlin den Posten des Sportdirektors.

INTERVIEW JOHANNES KOPP

taz: Herr Beeck, freuen Sie sich auf die Stadtduelle mit Hertha BSC in der nächsten Saison?

Christian Beeck: Ja, sehr. Zu einer Bundeshauptstadt gehören auch Derbys. Dass es nun in der Zweiten Liga stattfindet, ist für uns sehr schön, für Hertha ist das nicht so schön.

Aus egoistischen Gründen erfreut Sie der Hertha-Abstieg?

Für den Fußball in der Stadt ist das schon zu bedauern. Die Bundeshauptstadt braucht Erstligafußball. Viele Sportarten sind hier mit Erstligisten vertreten – der Fußball zählt nun leider nicht mehr dazu. Aber wir werden auch mit der zweiten Liga unseren Markt finden.

Vielen in der Stadt scheint Herthas Abstieg nicht sonderlich nahe zu gehen.

Die Wahrnehmungen unterscheiden sich doch in einer so großen Stadt zwangsläufig von Bezirk zu Bezirk. In Köpenick und Hellersdorf ist das natürlich viel weniger ein Thema als in Reinickendorf oder Spandau.

Hertha betrachtet sich selbst aber als Gesamtberliner Verein.

Diesen Anspruch kann man in Berlin gar nicht einlösen, weil die Stadt zu vielfältig und zu flexibel ist. Egal welcher Erstligist hier absteigt, Berlin wird das nicht groß beweinen. Es gibt so viele andere Angebote, seine Freizeit zu gestalten.

Wie groß ist durch den Abstieg von Hertha denn die Chance für Union, in der Zuschauergunst in der Stadt noch weiter nach vorne zu rücken?

Wie viele zu uns kommen, ist völlig unabhängig davon, wo Hertha steht, weil wir ein ganz anderes Produkt anbieten. Wir haben ein kleines, enges Stehplatzstadion. Mit uns verbindet man Stadionwurst, Bier und Zigarette.

Und mit Hertha?

Hertha hat ein Sitzplatzstadion mit Tartanbahn, in das fast 80.000 Menschen reinpassen. Fußball wird dort ganz anders wahrgenommen. Jedem steht es frei, sich auszusuchen, was ihm besser gefällt.

Warum hat sich bei so viel Unterschieden zwischen Hertha und Union nie eine Rivalität entwickelt wie in Hamburg zwischen HSV und St. Pauli?

„Egal welcher Erstligist hier absteigt, Berlin wird das nicht groß beweinen“

Das hängt mit der Geschichte der Stadt zusammen. Vor dem Mauerfall waren die beiden Vereine sogar miteinander befreundet. Diese kleine Liebe ist dann mit der Zeit etwas zerbröckelt – warum auch immer. Eine Rivalität wie in Hamburg oder München hatten wir aber nie.

Wird sich das nun in einer gemeinsamen Liga ändern?

Aber ja, natürlich. Jetzt wird mehr geschrieben und erzählt werden. Die Stadt wird sich mit dem Verhältnis der beiden Vereine viel mehr beschäftigen.

Ein Grund zur Sorge?

Nein, eine gesunde Rivalität ist gut für den Sport. Das elektrisiert die Massen. Zu einem Spektakel gehört auch dazu, dass polarisiert wird.

Wie nah ist Hertha aus sportlicher Sicht an Union herangerückt?

Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, uns mit Hertha zu vergleichen, sonst kommen wir keinen Schritt weiter. Von den Strukturen her sind die weitaus besser aufgestellt als wir.

Dennoch könnte Union nächste Saison in der Tabelle vor Hertha stehen.

Mir ist wichtig, dass wir unser Saisonziel, das wir noch definieren müssen, erreichen. Wenn wir dann auch noch vor Hertha stehen, freuen wir uns natürlich.

Auf in die 2. Liga

■ Hertha BSC Berlin verabschiedet sich am Samstag aus der Fußballbundesliga. Trotz guter Leistungen in der Rückrunde konnte das Team den bereits seit Ende der Hinrunde drohenden Abstieg nicht verhindern. Besonders bitter: Am Samstag spielt Hertha gegen Bayern München, die – wie schon jetzt feststeht – nach dem Spiel die Meisterschale erhalten werden. Das Duell im Olympiastadion ist bereits seit Wochen ausverkauft.

■ Der 1. FC Union Berlin hingegen hat am vergangenen Sonntag den Klassenerhalt in der 2. Liga gesichert. Das Team besiegte Arminia Bielefeld mit 3:0. Die Berliner waren erst vor einem Jahr in die 2. Liga aufgestiegen und hatten lange Zeit sogar Plätze im oberen Tabellendrittel belegt.

■ Damit kommt es in der kommenden Saison erstmals seit Jahren wieder zu Berliner Derbys zwischen Union und Hertha – einmal in der Alten Försterei in Köpenick und einmal im Olympiastadion. „Wir freuen uns natürlich auf die beiden Derbys. Ich glaube, das werden stimmungsvolle und heiß umkämpfte Spiele mit einer tollen Kulisse. Da wird alles drin sein, was Fußball ausmacht“, sagte Unions Trainer Uwe Neuhaus.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Premierenjahr von Union in der zweiten Liga?

Wir haben Außergewöhnliches vollbracht. Wir haben mit einem sehr kleinen Etat 44 Punkte erreicht und die Klasse erhalten. Darauf kann man sehr stolz sein.

Was hat Union in diesem Jahr gelernt?

Dass neben der fußballerischen Qualität Gemeinsamkeit, Geschlossenheit, Teamarbeit das A und O im Fußball sind.

Das ist doch nichts Neues.

Man muss das große Ganze zusammenzuhalten, in guten wie in schlechten Zeiten. Das sind keine Plattitüden. Die gesetzten Ziele erreicht man nur gemeinsam und nicht als Partisanenkämpfer. Das muss man sich immer wieder aufs Neue erarbeiten und bestätigen.