: Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein
TEENTROUBLE Miley Cyrus, Bad Girl des US-Popmainstream, trägt ihren Körper für ein bisschen Aufmerksamkeit nackt zu Markte, was den SittenwächterInnen ein Dorn im Auge ist. Jetzt sorgt sie auch noch mit antisemitischen Sprüchen für Schlagzeilen
Was jetzt folgt, ist falsch. Oder zumindest schwierig. Denn über den ehemaligen Hannah-Montana-Teenstar Miley Cyrus zu schreiben, bedeutet, seinem so schlichten wie schlechten Schrei nach öffentlicher Aufmerksamkeit Folge zu leisten. Das Verfassen eines Kommentars fühlt sich demzufolge ambivalent an: Ist es besser, in den Chor von US-SittenwächterInnen einzustimmen und gemeinsam mit Annie Lennox und Sinhead O’Connor eine durch Cyrus-Videos verstärkte „Übersexualisierung“, gar eine (übrigens im Wortsinne völlig inkorrekt definierte) „Pornografisierung“ der Gesellschaft zu beklagen?
Ganz schrille Töne
Miley Cyrus, das hierzulande musikalisch noch kaum, oder wenn, dann höchstens in Teenkreisen, wahrgenommene 20-jährige Bad Girl, spuckt jetzt auch noch antisemitische Töne. Kürzlich tönte sie in einem Interview: „Es kann nicht sein, dass ein 70-jähriger Jude, der den ganzen Tag den Schreibtisch nicht verlässt, mir sagt, was in den Clubs angesagt ist.“ Ist es besser, Cyrus durch Empörung im Radar zu behalten?
Oder ist es besser, die Grinseschnitte mit den Mikrobikinis schlichtweg zu ignorieren? Das Cyrus-Zitat stammt aus einem Gespräch mit der Modezeitschrift Hunger, und die Sängerin wollte damit vermutlich ausdrücken, wie weit MacherInnen von Jugendmagazinen und -filmen von ihrer Zielgruppe entfernt sind. Dass sie dabei Alte und Juden auf einmal basht, nämlich 1. durch das antisemitische Verschwörungsklischee, die Zeitungsindustrie würde von einem geheimen jüdischen Medienimperium geleitet, und 2. das gerontophobe Klischee, ältere Menschen wüssten allein wegen der Anzahl ihrer Jahresringe nicht, was abgeht, war vermutlich Absicht.
Und so zeigt sich das Problem, einerseits darüber berichten zu müssen, weil solch tief verankerte Klischees nie verschwinden, wenn man sie nicht benennt.
Und andererseits ist es verkehrt, egal wie man’s macht: Ohne ihre Schlagzeilen wäre Cyrus, zumindest hierzulande, einfach nur eine, die ab und an im Internet bei gala.de auftaucht. Eine dieser vielen hübsch geschminkten Schnepfen, von denen niemand einen Hit oder einen Film kennt, und die auf „Ich bin jung und zieh mein Ding durch“ machen. Mehr ist sie nämlich nicht. Insofern soll dieser Text mit seiner eigenen Rechtfertigung enden: Miley wird (angeblich) in der nächsten „Wetten, dass ..?“-Sendung auftreten. Und das gucken ja (angeblich) immer noch viele. Somit könnte der Text einen gewissen informativen Nutzen gehabt haben, puh.
JENNI ZYLKA