DIE GESELLSCHAFTSKRITIK : Plauder Nostra
WAS SAGT UNS DAS? Ein italienischer Staatsanwalt appelliert an die Intelligenz der Mafiosi. Hierzulande herrscht Schweigen
Was macht eigentlich die Mafia? Gibt’s die noch? Oder gibt es nur noch Bushido? Ist sechs Jahre nach den Morden von Duisburg, wo Mitglieder der ’Ndrangheta ihre Fronten klärten, das Problem außer Landes geschafft? Oder sind die Ermittler nur vorsichtiger geworden, nachdem ihnen zur Mordserie des NSU partout nichts anderes eingefallen war als die Spur organisierter Kriminalität?
„Route des Todes“
Gegen eine solche neue Achtsamkeit wäre nichts einzuwenden; und dazu, ob und wie Cosa Nostra, Camorra etc. in Deutschland aktiv sind, kann man ja die italienische Presse konsultieren, wenn Polizei und Staatsanwälte hierzulande schweigen. Die berichtet, dass nach einem Doppelmord in der Nähe von Mannheim am 13. Mai dieses Jahres deutsche Ermittler nach Palermo fuhren, um sich mit ihren italienischen Kollegen zu beraten.
Erörtert wurde die Frage, wie der zunehmende Verkehr auf der seit den 1990er Jahren berüchtigten „Route des Todes“ zwischen Mannheim und der sizilianischen Provinz Agrigent zu erklären sei. Die sizilianischen Ermittler, liest man, tippen auf einen neuen Mafiakrieg, bei dem es um ökonomische Claims geht.
Italienische Staatsanwälte haben ein starkes Mandat, sie können offen sprechen. Vittori Teresi aus Palermo ist so einer. Bei einer Pressekonferenz hat er sich gerade in einem Appell an die Mafiosi gewandt, die ihr Leben in italienischen Knästen beschließen werden: Die sollten endlich ihre Verbindungen zur Politik kappen. Denn die Politiker würden sich auf ihre Kosten bereichern, aber nie die Zeche zahlen. Bosse wie Bernardo Provenzano müssten begreifen, dass sie von der Politik am Ende doch immer verraten worden seien.
Singende Bosse
Die Pressekonferenz hielt Staatsanwalt Teresi übrigens ab, den Abschluss einer Anti-Mafia-Ermittlung zu verkünden, bei der über 60 Personen verhaftet wurden.
Neben düsteren Nachrichten – die Cosa Nostra hat sich wieder einmal reorganisiert und beherrscht einen Großteil der Provinz Palermo – gab es auch Positives: Die Mauer des Schweigens bei den Opfern sei heute deutlich leichter zu durchbrechen als in früheren Jahren.
Das würde man sich für das Sprechen über die Mafia auch für Deutschland wünschen: vonseiten der Ermittler, der Medien – und der Politiker. AMBROS WAIBEL