: Hilfssheriffs durch die Hintertür
In einem Modellversuch sollen in Niedersachsen Freiwillige zu Bürgerstreifen geschult werden. Der Koalitionspartner FDP ist machtlos, die Landtagsopposition spricht von einer fixen Idee des CDU-Innenministers Uwe Schünemann
von KAI SCHÖNEBERG
Sie sollen das Sicherheitsgefühl erhöhen, Diebe stellen, Randalierer melden oder Müllberge finden: Nachdem er im vergangenen Jahr mit dem Versuch gescheitert war, Bürgerwehren im Land zu installieren, versucht Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) es nun durch die Hintertür. In einem zweijährigen Modellversuch will der Law-and-Order-Politiker den Kommunen anbieten, freiwillige Zivilpersonen von der Polizei zu Hilfssheriffs schulen zu lassen.
„Bürgerwehr ist schon mal der völlig falsche Ausdruck“, sagt Schünemanns Sprecher Klaus Engemann. „Es heißt Freiwilliger Streifen- und Ordnungsdienst“. Viele Kommunen hätten sich bereits beworben, bis zur Sommerpause sollten „ein, zwei Handvoll“ für das Projekt ausgewählt werden. Die Gemeinden sollten den „Notrufsäulen für die Bürger“ eine Aufwandsentschädigung zahlen.
Im vergangenen Jahr war ein ähnlicher Vorstoß am Koalitionspartner FDP gescheitert. Ursprünglich hatten die Liberalen sogar selbst Freiwillige auf Patrouille durch die Straßen schicken wollen. Erst als Schünemann 1-Euro-Kräfte zu schwarzen Sheriffs verwandeln wollte, die auch Personalien prüfen und Bußgelder verhängen sollten, legten die Freidemokraten ihr Veto ein.
Beim neuen Vorstoß Schünemanns ist die FDP nun offenbar machtlos: „Es muss keine gesetzlichen Änderungen geben“, sagt Sprecher Engemann, „da die Streifen auf der Basis von Jedermannsrechten agieren.“ Dazu gehöre beispielsweise auch die Befugnis, Täter so lange festzuhalten, bis die Polizei kommt. „Das Ministerium nutzt seinen Spielraum, da können wir nichts machen“, heißt es von Niedersachsens FDP.
Im Nachbarland Hessen wurden die Hilfssheriffs seit 2000 zunächst in vier Städten erprobt und inzwischen auf fast 70 Gemeinden ausgedehnt, in denen rund 400 Polizeihelfer wirken. Bis auf Pfefferspray sind sie unbewaffnet, dürfen aber Ausweise kontrollieren und Platzverweise erteilen. In Bayern gibt es eine ähnliche Regelung. Auch in Niedersachsen gibt es bereits Bürgerstreifen, die auf der Grundlage des Jedermannsrechts agieren – allerdings fehlte bislang die koordinierende Hand des Landes.
Während der Grüne Hans-Albert Lennartz den Plan für „einen völlig überflüssigen Vorstoß“ hält, spricht Ex-Innenminister Heiner Bartling (SPD) von der „fixen Idee“ eines „sturen Ministers“. Die Bürgerwehren suggerierten den Menschen nur Sicherheit. Polizeiarbeit, sagt Bartling, solle „von Polizisten gemacht werden, nicht von Laien“. Die Zeit, die in die Ausbildung der Freiwilligen gehe, fehle anderswo.
Not amused sind auch die Beamten selbst: „Eine 60-stündige Ausbildung reicht bei weitem nicht aus“, sagt Bernhard Witthaut, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Witthaut: „Die Bürgerstreifen tragen doch nur Uniformen spazieren. Wenn es ernst wird, müssen sie eh die Polizei rufen.“
„Die Polizei sagt: ‚Haltet uns die vom Leib. Die rufen alle fünf Minuten an, weil ein Papierchen auf der Straße liegt‘“ erklärt Reinhard Kreissl vom Wiener Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie. Der Soziologe und Kriminologe hält das Phänomen der patrouillierender Bürgerwehren für gar nicht so gefährlich: „Es ist besser, wenn man sie einbindet als wenn man sie frei rumlaufen lässt“, betont Kreissl. Erfahrungen in anderen Regionen zeigten, dass die Einsatzbereitschaft der Freiwilligen bald wieder nachlasse. „In den Hardcore-Gegenden wie Berlin-Kreuzberg gibt es die ohnehin nicht“, sagt der Wissenschaftler, eher auf dem platten Land.
Zudem zeigten sämtliche Statistiken, dass die Kriminalitätsraten seit über zehn Jahren sinken. „Deutschland“, so Kreissl, „hat kein Sicherheitsproblem.“