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Archiv-Artikel

berliner szenen Mein Myfest

Anti Konflikt Team

Über Kreuzberg liegt beißender Qualm. Die Fahrbahn ist von der Polizei gesperrt, so dass ich vom Rad steigen und schieben muss. Überall unerträglicher Lärm. Die Straßen sind von krank aussehenden Menschen okkupiert, die sich mit grimmigen Gesichtern dicht an dicht und scheinbar ziellos durch die Häuserschluchten wälzen. Viele halten schon jetzt, am Mittag, Bierdosen in den Händen. Erst werden sie sie austrinken. Dann werden sie sie wegwerfen. Ordnungsgemäß in den Verpackungsmüll? Ich habe so meine berechtigten Zweifel.

Hausfrauen verkaufen Multikultikuchen, Männer grillen Multikultifleisch, und zur Untermalung wanzt weiter unablässig dieser schauderhafte Krach zeitgleich von mehreren Bühnen herunter; kaschubische Trachtenjodler versuchen morgenländische Gnatztröten zu überbrüllen; Multikultimusik. Ich befinde mich auf dem „Myfest“: Ist das noch Englisch oder schon Pisa?

Polizisten haben sich mit kanarienvogelgelben Leibchen verkleidet. So fallen sie weniger auf, so sind sie dichter am Bürger. Kleinere Konfliktherde, wie brennende Bauwagen oder Supermärkte, können auf diese Weise im Nu gelöscht werden. Mit Herz und Schnauze und ganz viel Fingerspitzengefühl im Knüppel. Auf den Leibchen steht „Anti Konflikt Team“: Ist das noch Pisa oder schon Rütli?

Und dann brennt es auf einmal wirklich: Auf dem Grill einer türkischen Bratgruppe liegt eine solchermaßen fehlbehandelte Bockwurst. Rot und aufgeplatzt schreit sie ihre stumme Anklage gen Maihimmel. Deutsche Volkskost wird multikulti gequält: Ist das noch Rütli oder schon Mord?

Ich lasse mir Senf dazu geben und erlöse sie von ihrem Leiden. Kann man diesen Tag denn nicht wenigstens einmal friedlich begehen? ULI HANNEMANN