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Archiv-Artikel

Halt geben, Halt finden

BÜHNE Von Zusammenhalt und Vertrauen – „Roses“ zeigt Kindern und Jugendlichen, wie Mut im Kleinen beginnt. Das von der Weißen Rose inspirierte Tanzstück im Theater Strahl ist für den diesjährigen Ikarus-Preis nominiert

Ikarus 2013

■ Noch bis Samstag sind in der „Woche des Ikarus“ die für den diesjährigen Ikarus nominierten Inszenierungen zu sehen. Der Preis vom JugendKulturService als Auszeichnung für herausragende Berliner Theaterinszenierungen wird seit 2002 vergeben. Preisverleihung ist am Samstag um 18 Uhr in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10.

■ Nominiert für den Ikarus ist auch das Theater Strahl mit „Roses“. Im Rahmen der Ikarus-Woche ist die Produktion am Mittwoch um 19.30 Uhr im Strahl-Spielort „Halle Ostkreuz“, Marktstraße 9-13, zu sehen. Weitere Vorstellungen dort wieder ab 5. November. www.theater-strahl.de

VON MAREEN LEDEBUR

Junge Menschen suchen die Rebellion und den Mut und lassen Ignoranz und Einsamkeit hinter sich. Im Jugendtheater Strahl wird mit dem Stück „Roses“ der zeitgenössische Tanz für Kinder und Jugendliche auf die Bühne geholt. Die jetzt wieder aufgenommene und für den Ikarus 2013 – der Auszeichnung für herausragende Berliner Theaterinszenierungen für Kinder und Jugendliche – nominierte Koproduktion zwischen dem Theater Strahl und der Utrechter Gruppe De Dansers basiert auf der Geschichte der Weißen Rose und dem Widerstand junger Menschen gegen das NS-Regime.

Inspirieren ließen sich die Choreografin Wies Merkx und ihre Tänzer von den Tagebüchern von Mitgliedern der Weißen Rose. Wies Merkx beschäftigt sich seit 1980 mit Tanzperformances für Kinder. Junge Menschen und Tanz sind ihrer Meinung nach tief verbunden.

In „Roses“ geht es weniger um die historischen Ereignisse, die kann man in Büchern nachlesen. Wichtiger sind die großen Themen, die sich sich innerhalb der Geschichte um die Weiße Rose verbergen: Zivilcourage, Widerstand, die Gruppe und das Individuum. Wer von den Darstellern auf der Bühne Sophie Scholl ist, muss der Zuschauer gar nicht herausfinden. Das Stück dreht sich um eine Einheit und um die Rückkehr zur Gemeinschaft. Mut beginnt im Kleinen, in ganz banalen Augenblicken: Was tust du, wenn jemand neben dir stürzt?

Die Stärke zur Rebellion

„Roses“ lässt einen die Energie von jungen Menschen fühlen. „Wichtiger als der Inhalt ist die Stärke, die du für eine Rebellion benötigst“, sagt Guy Corneille. Der Musikdirektor ist Mitte zwanzig und hat die Lieder zum Stück geschrieben. Den Kindern und Jugendlichen, die ihn zwischen Tanzboden und Gitarre wechseln sehen, möchte er vermitteln, sich gegenseitig zu helfen. „Menschlichkeit und Zivilcourage entstehen aus ganz grundlegenden Dingen“, sagt der Niederländer.

Wenn Kinder und Jugendliche zu einer Aufführung ins Theater Strahl kommen, ist es meistens ihre erste Begegnung mit Bühnen, Performance und Tanz. Kinder spielen, rennen und springen. Deshalb, findet Wies Merkx, ist es einfach, die Energie aus dem Stück auf sie zu übertragen: „Die Verbindung zwischen Tänzern und Kindern ist auf einem sehr physischen Niveau.“

Die Tänzer reden miteinander, entwickeln Ideen und werden zusammen stark und fordernd. Gefangen zwischen Tischbeinen schaffen sie es immer wieder, aus den kleinen Ecken herauszufinden. Mit Wucht kommen Wut und Gefahr auf, man spürt, wie viel Kraft und Durchhaltevermögen Zusammenhalt fordert.

Man sieht, was es an Vertrauen braucht, um weiterzumachen. Wer übereinanderklettert, ist auf den Halt durch den anderen angewiesen. Wer in einer Menschentraube fällt, muss von dem Nächsten aufgefangen werden. Sobald einer aus der Gruppe geht, fehlt etwas.

Die Geschichte könnte sich auf dem Schulhof abspielen, sie kann vor vielen Jahren passiert sein oder im Hier und Jetzt. Wichtig ist Wies Merkx, dass Kinder und Jugendliche nach dem Stück anfangen, über ihre Entscheidungen zu reden. „Es geht mehr um das große Ganze: Was ist dein Fokus auf die Art und Weise, wie wir mit anderen Menschen zusammenleben.“

Tanz für Kinder zu machen bedeutet, unmittelbaren Reaktionen zu begegnen. „Kinder sind sehr direkt und ehrlich, man spürt genau, was es mit ihnen macht“, sagt Noemi Wagner von De Dansers. Das Gästebuch fasst die Vorstellung kurz zusammen: „Hammer Alter, Mega super“ und „Todesgeil“.