BERNHARD PÖTTER RETTUNG DER WELT : Blut, Schweiß, Klimaschutz
Die Idee, durch Verzicht so ökologisch wie möglich zu leben, ist gut gemeint, aber nicht gut. Sie vermittelt den Eindruck, man müsse ein Neandertaler werden, meint man es ernst mit der Zukunft
Colin Beavan ist ein Ökoheld. Der New Yorker Journalist hat mit seiner Familie ein Jahr lang möglichst ökologisch gelebt. Sein Buch „Barfuß in Manhattan“ und der Film „No Impact Man“ zeigen das: kein Strom, keine Wegwerfwindeln, kein Klopapier, kein Aufzug (in New York!), natürlich kein Auto und keine Flugreisen (siehe taz vom 10. 4. 2010). Das Ganze ist verrückt, spannend, lehrreich und sicher ein Erfolg. Und in letzter Konsequenz ist es reaktionär.
Denn es zeigt Umweltschutz nach dem Motto „Blut, Schweiß und Tränen“. Cappuccino aus dem Einwegglas zu trinken, mag noch hip sein. Lampen durch Kerzen zu ersetzen, im Wolkenkratzer die Treppe zu nehmen und auf Klopapier zu verzichten grenzt aber an Selbstbestrafung. Die politische Botschaft ist verheerend: Wer es ernst meint mit der Zukunft, der muss leben wie ein Neandertaler.
Beavan ist mit seinen gut gemeinten und gut geschriebenen Buch und Blog ja nur die Spitze eines leider nicht schmelzenden Eisbergs. Regelmäßig vor Klimagipfeln machen Journalisten gern den „Klima-Realitäts-Check“: Eine Woche ohne CO2-Ausstoß! Von Hamburg nach München ohne Flugzeug! Keine Erdbeeren zu Weihnachten! Das Resultat sind heroische Geschichten von Verzicht und Verlust. Der Subtext dieser Artikel lautet aber: Klimaschutz ist was für Masochisten oder Heilige. Also lässt man es lieber bleiben.
Statt sich im Verzicht aufs Zweitauto zu üben, sollten wir lieber erklären, dass und wie ein Industrieland sich klimaneutral umbauen lässt – und wer da auf der Bremse steht. Natürlich geht es auch um eine neue Konsumkultur. Aber wer meint, Verbraucher könnten an der Ladentheke die Zukunft sichern, der verkauft sie genauso für dumm wie die Werbung, die zu diesem Zweck den neuen Toyota anpreist. Dahinter steckt die Einstellung, dass gesellschaftliche Probleme individuell zu lösen sind.
Das ist grundfalsch. Beim Klimaschutz müssen die Spielregeln für unseren Umgang mit Ressourcen geändert werden. Das ist eine politische Aufgabe. Öko-Lebensstile sind wichtig, um dieses Ziel zu unterstützen, aber sie ersetzen es nicht. Gerade in den USA heißt es ja oft, der Kampf gegen die Erderwärmung müsse mit der gleichen Konsequenz geführt werden wie der Zweite Weltkrieg. Aber der Faschismus wurde nicht besiegt, weil ein paar Amerikaner im Garten Schießübungen machten. Sondern weil es eine nationale Kraftanstrengung gab, eine politisch geführte, straff organisierte Überlebenskampagne. Deshalb ist auch Klimapolitik nichts für Heimwerker. Sondern vor allem eben Politik.
■ Der Autor ist Journalist und Klopapierbenutzer Foto: privat