: Auf Teufel komm raus
TIEFENFORSCHUNG Mit Musik geht alles besser – selbst der direkte Weg zur Hölle findet sich mit ihr ganz leicht. Schlimme Lieder und anderes Teufelszeug: Eine Annäherung im Haus der Kulturen der Welt an „Böse Musik“
Im Rahmen des Anthropozän-Projekts im HKW findet nun das Festival „Böse Musik“ statt, das sich mit dem Gemeinen, Hässlichen und Niederträchtigen beschäftigt, das Menschen in die Musik hineinlegen oder ihr als Rezipienten entnehmen. Im Programm gibt es u. a. die Performance „Pure Hate“ mit gewaltverherrlichendem Rap, dem Funk und Flow genommen werden; ein Konzert des Bundespolizeiorchesters sowie einen Vortrag von Francesco Sbano über italienische Mafiamusik.
■ Böse Musik: HKW, John-Foster-Dulles-Allee 10, 24.–27. 10., Programm: hkw.de
VON THOMAS MAUCH
Ach ja: böse.
Oder vielleicht doch erst mal das Gegenteil? Also gut.
Das sind dann aber doch vor allem Geschmacksfragen, schwer vermittelbar. Was mag denn so ein „gut“ überhaupt bedeuten in der Musik. Was einem selbst gut gefällt, kratzt dem anderen bereits, tja, böse im Ohr. Und überhaupt meint man – wenigstens bei der Verfertigung von Popmusik – den Dreiklang „Das Wahre, Schöne, Gute“ nicht unbedingt als dringlichsten Antrieb zu vernehmen.
Zwischendurch aber einfach mal ein Lied, wie es Johnny Cash gesungen hat: „When I was just a baby,/ My Mama told me, ‚Son,/ Always be a good boy,/ Don’t ever play with guns‘,/ But I shot a man in Reno,/ Just to watch him die …“ So geht das in dem „Folsom Prison Blues“. Ein guter Junge wollte der Sänger nicht sein. Und knallt dann in Reno einfach einen ab, um ihm beim Sterben zuzugucken.
Ganz schön böse. Aber doch nur ein Lied.
Wenn es um das Böse geht, ist der Teufel selten weit. So lang ist das zum Beispiel noch gar nicht her, dass man den Tritonus, die übermäßige Quarte, ein Intervall mit genau drei Ganztönen (so die musikwissenschaftliche Bestimmung) als das reinste Teufelszeug betrachtete, weswegen man den Tritonus als Diabolus in Musica bezeichnete. Eine wirklich böse Dissonanz, dieser „Teufel in der Musik“, der man in der abendländischen Musik im Mittelalter am liebsten aus dem Weg ging, selbst wenn hier und da verbreitete Meldungen, dass man bei Verwendung des Tritonus gleich exkommuniziert oder gar gefoltert wurde, wohl der Märchenwelt entstammen. Und wenn man sich bei Hieronymus Boschs Triptychon „Der Garten der Lüste“ im Speziellen in dessen Vision von der Hölle versenkt (Pophörer kennen sie auch durch die Verwendung als Motiv für ein Deep-Purple-Album), könnte man sich mit den ganzen Darstellungen der Musikinstrumente dort als Folterwerkzeug schon fragen, ob nicht die Musik insgesamt des Teufels ist.
So weit möchte man im Haus der Kulturen der Welt dann nicht gleich gehen bei den „Oden an Gewalt, Tod und Teufel“, mit denen man sich an „Böse Musik“ annähern will, so der schlichte und gleich entsprechend appetitanregende Titel der am Donnerstag beginnenden Veranstaltungsreihe. Bis Sonntag kann man sich dort beispielsweise mal darüber unterhalten, wieso manche etwa die Lieder der Mafia musikalisch durchaus zu schätzen wissen, obwohl natürlich auch sie wissen, dass das ökonomische Prinzip und das Geschäftsgebaren dieser diskreten Organisation nicht unbedingt als vorbildlich zu bezeichnen sind. Deren Lieder hört mancher trotzdem gern, der andererseits Nazirock ganz unbedingt ablehnen würde, und zwar nicht nur aus ästhetischen Gründen.
Und dass auch der Ku-Klux-Klan seine zu Herzen gehenden Lieder hat, weiß allemal, wer mal den Coen-Brüder-Film „O Brother, Where Art Thou“ gesehen hat, diese musikalische Odyssee durch Mississippi zur Zeit der Weltwirtschaftskrise.
Beste Intentionen
Man darf sich eben sicher sein, dass da, wo man singt, nicht allweil die besten Intentionen zum Ausdruck gebracht werden.
Um das alles zu ergründen, wird eine Ausgabe von „Böse Musik“ allein kaum reichen. Bei einer weiteren Expedition zum Bösen wäre dann doch wünschenswert, ein paar Scharten auszuwetzen und wenigstens zwei Punkte zu präsentieren, die es diesmal noch nicht ins Programm geschafft haben.
Gern würde man so mal in einer Konzertsituation erleben, wie das auf Teufel komm raus mit einem beharrlich in Szene gesetzten Tritonus klingt und ob das einen als nachmittelalterlichen Hörer heute noch schrecken kann. Und schön wäre es auch, wenn man – ein Beispiel aus der neueren Musikgeschichte – dem Backmasking nachgehen würde, also diesen Rückwärtsbotschaften, die man einem Song ablauschen können soll, wenn der rückwärts abgespielt wird. Gern wird dabei auf das Lied „Stairway to Heaven“ von Led Zeppelin verwiesen, in das – logisch aus der Rückwärtsperspektive – natürlich eine satanische Botschaft eingebaut ist.
All diese der Rückwärtsbotschaften verdächtigten Lieder mal live rückwärts aufführen – wäre bestimmt ein toller Soundtrack auf der Autobahn zur Hölle.