: Ein Spiel mit Papierfliegern
Er soll die Börsen-Papiere meterweit zum Fliegen bringen: Johannes B. Kerner. Wenn das für die künftigen Aktionäre mal keine Bruchlandung wird. Für die Öffentlich-Rechtlichen ist’s das schon
von STEFFEN GRIMBERG
Sage noch einer, Johannes „Bonaqa“ Kerner hätte keinen Sinn für Humor. Da macht der Mann derzeit auf – gefühlt – allen Plakatwänden der Republik mobil für den Börsengang des Billig-Fliegers Air Berlin am morgigen Freitag. Medienexperten aller Couleur erregen sich über den werblichen Großeinsatz des ZDF-Mainzelmanns in freiem Mitarbeiterverhältnis. Doch statt der von einer öffentlich-rechtlichen Ikone doch wohl erwartbaren reumütigen Schubumkehr setzt Kerner noch einen drauf: Gestern Abend empfing er in „JBK“ die Herren Wicke und Gebhardt. Die beiden sind – Deutsche Meister im Papierfliegen.
„Sie bringen Papier meterweit zum Fliegen“, tönt dazu die ZDF-Homepage. Das erhofft sich nun auch Air-Berlin-Chef Joachim Hunold vom Kerner-Einsatz. Bislang hatte er keinen Grund zur Klage: Im November durfte er höchstpersönlich in Kerners ZDF-Show die eben vollzogene Kanzlerinnenwahl kommentieren. Und am Abend vor Beginn der Zeichnungsfrist für Air-Berlin-Aktien war letzten Donnerstag Ingeborg Mootz zu Gast in „JBK“. Und der zugehörige ZDF-Pressetext raunte: „Insider nennen die 84-Jährige die ‚Grande Dame der Börse‘, weil sie aus 1.000 geerbten Aktien bis heute 22.000 gemacht hat.
Nun hatte Frau Mootz vor laufender Kamera auch auf die Risiken und Nebenwirkungen hingewiesen, die möglicherweise lauern, wenn man sich samt Vermögen der Aktienzockerei hingibt. Und genau das reicht dem ZDF denn auch zur Rechtfertigung, man habe sich da nichts vorzuwerfen. Immerhin: Air-Berlin-Chef Hunold sollte die Kerner-Redaktion derzeit nun nicht auch noch einladen: „Dies dürfte jetzt nicht mehr passieren“, sagte ZDF-Sprecher Alexander Stock der dpa. Ansonsten sei „Herr Kerner freier Mitarbeiter und freier Unternehmer, der produzieren und Werbung machen darf.“
Wie praktisch. Dass sogar die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz Kerners „Ich bin ein Air-Berliner“-Auftritt mit dem Hinweis kritisiert, diese „Werbung bewegt sich auf dem Niveau von Reklame für Spülmittel oder Schokoriegel“, ficht schon gar niemanden an. Ebenso wenig, dass nicht eben wenige Aktien-Experten das Air-Berlin-Papier als „hochspekulative“ Angelegenheit sehen: Schließlich ist das Unternehmen immer noch nicht in der Gewinnzone.
Dabei offenbart sich hier das ganz grundsätzliche Dilemma: Vor allem Kleinanleger sind in Deutschland oft kaum ausreichend über die Risiken der Börse informiert. Natürlich wird man von seiner Bank bei Depot-Eröffnung mit kiloschwerer Pflichtlektüre in Sachen Wertpapier versorgt. Aber wer liest das schon? Wenn dann glattrasierte, in die Jahre kommende Schwiegersohntypen wie Kerner oder sein ARD-Pendant Reinhold Beckmann in knappen Werbespots Geld, Gold und sorgenfreies Leben verheißen, ist das doch viel eingängiger. Wer auf den Rest hereinfällt – ist nun mal selber schuld.
Beckmann zum Beispiel wirbt ähnlich zäh wie Kerner für die Versicherungsgruppe WWK („Werte, Wachstum, Kompetenz“).
Der NDR will jetzt immerhin sicherstellen, dass in „Beckmann“ ab sofort „auf Themen generell verzichtet wird, die mit Blick auf Reinhold Beckmanns Werbeaktivitäten Zweifel an der Unabhängigkeit des NDR auslösen könnten“. Das ist ja nett: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bemüht sich mit vereinten Kräften, wenigstens die ganz große Schiebung auszuschließen. So viel Problembewusstsein spricht Bände. Denn darüber hinaus mäßigend – bis hin zum vertraglichen Ausschluss bestimmter Werbethemen – auf seine nicht eben schlecht honorierten freien Mitarbeiter einzuwirken, traut er sich nicht.
Aber vielleicht kann es sich ein Kerner wirklich nicht leisten, auf die Air-Berlin-Kohle zu verzichten. Schließlich hält er sonst nur die Birne für mäßig aufregendes Tafelwasser hin. Und für Geflügelwurst der Firma Gutfried. In Zeiten des Vogelgrippe-Virus H5N1 ist das wahrscheinlich auch noch risikoreicher, als Air-Berlin-Aktien zu zeichnen.