: Saarland Spitze – bei der Überwachung
CDU-Landesregierung schockt Datenschützer: Die Polizei soll mehr Befugnisse bekommen, Autofahrer ohne Anlass registrieren, mehr Telefongespräche abhören und mehr Videokameras installieren. SPD sieht Saarland auf „Weg zum Überwachungsstaat“
AUS SAARBRÜCKEN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Ein Referentenentwurf für ein neues saarländisches Polizeigesetz sorgt schon vor seiner Einbringung in das Kabinett von Ministerpräsident Peter Müller (CDU) für Proteste. Die Oppositionsparteien SPD und FDP signalisieren Widerstand: Das Saarland, schimpfte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Pauluhn, befinde sich „auf dem Weg zum Überwachungsstaat“.
Der Entwurf aus dem Haus von Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sieht eine Ausweitung der Befugnisse der Polizei bei der Überwachung mit Videokameras und beim Abhören von Telefongesprächen vor. Zudem sollen die Daten von Autokennzeichen ohne Anlass gespeichert werden können.
Der Landesdatenschutzbeauftragte Roland Lorenz kritisierte insbesondere das Vorhaben, die Videoüberwachung nicht mehr nur an Kriminalitätsschwerpunkten zu ermöglichen, sondern immer und überall dann, wenn es der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit dienlich sein könnte, wie es im Entwurf heißt. Damit werde die Überwachung schon bei sehr geringen Verdachtsmomenten legalisiert – auch ohne klare Indizien für eine tatsächliche Gefahrenlage. Das bewege sich „in Richtung Verfassungswidrigkeit“, sagte Lorenz der Saarbrücker Zeitung. Zusätzlich „befremdet“ ihn, dass die Landesregierung offenbar einen vom Bundesverfassungsgericht aus dem niedersächsischen Polizeigesetz gekippten Passus zur Telefonüberwachung im Saarland durch die Hintertür wieder einführen will. Demnach soll die vorbeugende Telekommunikationsüberwachung schon bei konkreten Vorbereitungshandlungen für eine Straftat möglich sein. Eine solche Regelung habe im Polizeigesetz nichts zu suchen, erklärte Lorenz. Denn die Vorbereitung einer Straftat sei bereits eine Straftat. Und deren Verfolgung sei schon in der Strafprozessordung klar geregelt.
Die Jugendorganisation der FDP kündigte eine Kampagne gegen die geplanten „massiven Einschränkungen von Bürgerrechten“ an. Der Entwurf sei ein „Angriff auf den liberalen Rechtsstaat“ und gehöre „in den Papierkorb“. Die Jungen Liberalen wollen vor allem Schüler mobilisieren – gegen die geplante Videoüberwachung von Schulhöfen.
Datenschützer und Opposition monieren auch die geplante „anlassfreie elektronische Erfassung“ von Kfz-Kennzeichen, die dann bei Vorliegen einer Gefahr mit anderen Polizeidaten abgeglichen werden sollen. In ihrer großen Mehrheit gesetzestreue Bürger würden so polizeilich erfasst, registriert und in Polizeicomputern gespeichert. Gegen Missbrauch dieser Daten, etwa die Erstellung von Bewegungsprofilen, gebe es noch keinen wirksamen Schutz, so Lorenz.
Oppositionsführer Heiko Maas (SPD) fordert die „schnellstmögliche Einstampfung“ des Gesetzentwurfs. „Die Bürger so massiv überwachen und beobachten zu wollen ist reine Effekthascherei und hat mit effektiver Verbrechensbekämpfung nichts zu tun“, sagte Maas der taz.
Auf die Regierung, die mit dem neuen Polizeigesetz „technisch nachrüsten“ und der Polizei „mehr Befugnisse“ einräumen will, machte die Kritik bislang keinen Eindruck. Die CDU hat im Landtag eine absolute Mehrheit. Ministerpräsident Müller äußerte sich noch nicht. Sein Vize, Finanzminister Peter Jacoby, sagte der taz, dass der Referentenentwurf zunächst dem Kabinett vorgelegt werden müsse. Danach werde sich die Regierung „erklären“. Jacoby dürfte eine Schlüsselrolle bei der Entscheidungsfindung spielen. Geld für die avisierte umfassende technische Aufrüstung der Polizei hat das bettelarme Saarland nämlich eigentlich nicht übrig.