Liebesgrüße aus Belgrad

Die Gartenlaube von James Bond steht in Belgrad. Also nicht die vom derzeit amtierenden 007, der immer gucken muss, als hätte er Zahnschmerzen. Sondern die des klassischen Agenten mit Brusthaartoupet, der sich einen weißen Rennwagen für 1,5 Millionen Dollar umrüsten ließ, damit der tauchen konnte. Und dessen Gegner Fernsehsatelliten aus Diamanten hatten oder zumindest einen goldenen Colt.

So einem Mann, der das Fröhliche am Luxus zu schätzen weiß, dem steht auch das „Haus der Blumen“ hoch über der serbischen Hauptstadt. Heller Stein, roter Samt, die klaren, optimistischen Linien der 70er, an den Säulen ließe sich mit einem Cocktail gut anlehnen und das riesige Panoramafenster braucht es, weil es noch so viel Schönes anzuschauen gibt: vor allem die Zukunft. Selbst der Sarg aus weißem Marmor fügt sich noch geschmackvoll ins Ambiente ein. James Bond war nie hier, aber Jugoslawiens Befreier, Einiger und Diktator Tito. Dem gehörte diese Residenz, die heute sein Mausoleum ist. Es hat etwas Tröstliches, dass seine am Sonntag verstorbene Witwe Jovanka Broz hier wohl doch noch ihre letzte Ruhe finden darf.

Das in nationalistischem Zank zerberstende Jugoslawien nach Tito und später das Serbien Milošević’ hatten keine Anschlussverwendung für die einzige echte First Lady des sozialistischen Staates gefunden, trotz ihrer tollen Kleider. Sie verfiel wie die Villa, in die sie jahrelang gesperrt wurde. Mit ihrer Leiche können sich die Herrschenden endlich angemessen schmücken. Jovanka und Tito neben den Großen der Welt, er in Uniform, sie in Abendgarderobe. Weil Jugoslawien einst so schön zwischen Ost- und Westblock gelegen war, waren sie alle mal hier: Carter, Chruschtschow, Brandt – erst in Schwarz-Weiß, später dann in Farbe. Bilder aus Zeiten, in denen sich Männer mit dicken Zigarren über die Politik beugten wie über einen Braten – immer deftig zubereitet. Dampfen musste er. Sie wurden immer fetter, aber zerlegten das Ding wie Profis und aßen es auf, sie regelten das – kalte Kriege, Atomraketen – und notfalls schickten sie Männer in tauchfähigen Sportwagen und mit Kugelschreibern, aus denen sich nur ein Schuss abfeuern ließ, aber der traf, und dann war der Böse tot.

Großer Humbug einerseits, schließlich scheiterten diese Männer allesamt. Andererseits können die Mächtigen von heute, nennen wir sie François Hollande und Angela Merkel, nur betroffen gucken, wenn ihre Länder und sogar ihre eigenen Handys abgehört werden. Also die richtige Reihenfolge wäre vielleicht eine andere – ihre Handys und sogar ihre eigenen Länder –, aber puh, das gerät heute schon mal durcheinander. Postmoderne, Verwirrung, Zeitgeist und dann erst dieses Internet – wer soll sich das alles merken?

Jedenfalls haben die beiden Barack Obama angerufen, vielleicht direkt auf seinem Blackberry, die mächtigste Frau der Welt und der Vorsteher eines Landes, das immerhin auch Atomraketen und sogar einen Flugzeugträger hat. Und tja, nüscht. Was für eine deprimierende Welt, in der nicht mal die, die mehr als alle anderen handeln können, handeln können.

Ob es daran liegt, dass die Franzosen eigentlich nur einen „demi porte-avions“ haben, einen „halben Flugzeugträger“? So hat der ehemalige Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing nach den Anschlägen vom 11. September geschimpft, weil die „Charles de Gaulle“ mal wieder kaputt war. Vielleicht nehmen die USA ja deshalb Frankreich seitdem nicht mehr so ernst.

Kann natürlich auch sein, dass Obama Merkel einfach verklickert hat, dass die Spionage „alternativlos“ sei. Sorry, wir können nicht anders. Das müsste die Kanzlerin natürlich einsehen, schließlich hat sie die „alternativlose Politik“ erfunden. Deswegen schaut Deutschland den Flüchtlingen vor Europas Küsten beim Ersaufen zu. Weil, sorry, ist ja leider auch alternativlos. In dem von der taz veröffentlichten internen Papier des Auswärtigen Amts war es gestern noch mal nachzulesen: Das Boot ist voll. Eures vielleicht auch, aber unseres noch ein bisschen mehr.

Es sei noch einmal gesagt, für alle, die stets einen Disclaimer brauchen: Eine Diktatur kann niemals das Gute verkörpern, auch Jugoslawien in seinen sonnigsten Monaten nicht. Aber dass es für ein paar Jahrzehnte möglich war, dass Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und Sprachen friedlich nebeneinander lebten, auf dem für seine Kriege und Konflikte sprichwörtlich berühmten Balkan, das mag schon mal Respekt abnötigen. Von wegen alternativlos und so.

Einer der Eingänge zum Hauptquartier der antiextraterritorialen Einheit „Men in Black“ ist übrigens auch in Belgrad. Er tarnt sich als Toilette. Suchen Sie in der Nähe des Hauptbahnhofs.

DANIEL SCHULZ
INES KAPPERT