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Archiv-Artikel

EU versucht Strommarkt zu beruhigen

Weil der Preisverfall bei den CO2-Verschmutzungsrechten weitergeht, stoppt die EU-Kommission die Veröffentlichung von CO2-Statistiken einzelner EU-Länder. Ihre Hoffnung: Europaweit gleichen sich Zertifikate und tatsächliche Emissionen aus

von REINHARD WOLFF

Die Europäische Kommission will dem rasanten Preisverfall auf dem Markt für CO2-Emissionsrechte nicht tatenlos zusehen. Wie gestern bekannt wurde, hat sie die nationalen Umweltbehörden dazu aufgerufen, die Zahlen für den tatsächlichen Ausstoß des Treibhausgases im Jahr 2005 vorläufig nicht zu veröffentlichen. Alle EU-Mitgliedsländer, die ihre Daten bisher noch nicht bekannt gemacht haben, sollen bis zum 15. oder 16. Mai warten – und die Zahlen dann gleichzeitig herausgeben.

An der Leipziger Strombörse und der skandinavischen NordPool war der Kurssturz beim Handel mit den Verschmutzungsrechten (taz vom 29. 4.) zuletzt weitergegangen. Ursache sind Spekulationen darüber, dass die Regierungen der EU-Länder einfach zu viel Handelsrechte ausgegeben haben. Geschürt worden waren diese Spekulationen beispielsweise durch die kürzlich veröffentlichten französischen CO2-Emissionsdaten für das Jahr 2005. Die französische Regierung hatte 18 Millionen Zertifikate mehr ausgeteilt, als zur Abdeckung des tatsächlichen CO2-Ausstoßes notwendig gewesen wären. Zahlen aus Tschechien zeigen ein ähnliches Verhältnis.

Die Brüsseler Strategie, die Daten konzentriert zu veröffentlichen, ergibt nur Sinn, wenn sich die Emissionsrechte und tatsächlichen Emissionen innerhalb der EU letztlich einigermaßen ausgleichen.

Dagegen sprechen allerdings weitere Zahlen, die denn doch durchsickern. So sollen auch in Schweden im letzten Jahr nur 19,4 Millionen Tonnen des Treibhausgases in die Luft geblasen worden sein, obwohl Verschmutzungsrechte für 22 Millionen Tonnen CO2 ausgegeben wurden. Tatsächlich wäre es für die meisten Experten eine Überraschung, wenn sich am 15. oder 16. Mai kein deutlicher Überschuss an CO2-Zertifikaten ergäbe.

StromkonsumentInnen könnten dann damit rechnen, dass die Preise zumindest kurzfristig sinken. Allerdings haben sie ohnehin bereits Milliarden für das neue System gezahlt, die ausschließlich in den Taschen der Stromversorger gelandet sind. Weil deren Strompreiskalkulation auf den theoretischen Kosten der Zertifikate beruht, verdienen diese nun womöglich weniger an Strom, der ohne CO2-Belastung produziert wird.

Und die Umwelt? Der Handel mit Verschmutzungsrechten sollte eigentlich dem Klimaschutz dienen. Ein stetig vermindertes und damit verteuertes Angebot von CO2-Zertifikaten soll die Entwicklung sauberer Technologien wirtschaftlich interessanter machen als die weitere Emission von Klimagasen. Zumindest bei der ersten Zuteilungsperiode, die Ende kommenden Jahres ausläuft, dürfte dieser Effekt nach den derzeitigen Problemen ausbleiben.