piwik no script img

Archiv-Artikel

„Ich dachte, ich kriege Elterngeld“

Petra Müller[*]fühlt sich von der Regierung hintergangen. Die Ingenieurin wollte von der angekündigten Familienförderung profitieren. Doch sie wurde zu schnell schwanger

taz: Frau Müller [*], Sie haben sich von dem geplanten Elterngeld animieren lassen, schwanger zu werden und sind nun trotzdem sauer. Warum?

Petra Müller*: Dass wir Kinder bekommen wollten, stand schon fest. Aber wir haben uns schon Gedanken darüber gemacht, dass uns ein Einkommen wegbrechen würde. Jetzt bekomme ich im November mein Kind. Ich dachte, dass ich dann ab Januar Elterngeld bekäme, so hat es sich doch immer angehört. Jetzt stellt sich heraus, dass das Kind im Januar geboren werden müsste. Ich fühle mich hintergangen.

Wie hoch ist Ihr Einkommen?

Mein Mann als Chemiker und ich als Betriebsingenieurin verdienen gemeinsam knapp 10.000 Euro brutto. Wir sparen gerade für ein eigenes Haus. Da spürt man schon, wenn ein Einkommen weg ist. Und wir bekommen jetzt kein Erziehungsgeld, dafür ist unser Einkommen zu hoch. Für uns wäre das Elterngeld also sehr gut.

Aber so sehr sind Sie doch auf das Elterngeld gar nicht angewiesen.

Ja natürlich, aber Frauen, die in derselben finanziellen Situation sind, aber ein paar Wochen später schwanger geworden sind, bekommen nun bis zu 1.800 Euro im Monat, ich bekomme gar nichts. Das finde ich nicht gerecht, das ärgert mich, weil deren finanzielle Ausgangslage nicht anders ist als unsere.

Was würden Sie denn persönlich anders machen, wenn Sie das Elterngeld doch bekommen würden?

Ich würde mir mehr Zeit lassen. Wenn das Kind Schwierigkeiten hat, wäre es wesentlich leichter für mich, länger zu Hause bleiben, um mich um das Kind zu kümmern. Jetzt gehe ich so bald wie möglich wieder halbtags arbeiten. Ich finde es ungerecht, dass es ab Januar Elterngeld geben soll, aber ich werde es nicht bekommen.

Was hätte die Regierung Ihrer Meinung nach beschließen sollen?

Man sollte generell ab dem ersten Januar das Elterngeld für alle bezahlen, die noch im ersten Erziehungsjahr sind. Man hätte auch sagen können: Ab jetzt gezeugte Kinder haben diesen Anspruch, dann weiß jeder zum Zeitpunkt der Zeugung, wie er dran ist. Nun erhalten Frauen in der fünften Schwangerschaftswoche Elterngeld, Frauen in der sechsten aber nicht. Dabei hat die Regierung immer so getan, als gäbe es ab Januar Elterngeld für alle.

Aber es gibt ja auch Familien, die mit dem neuen Elterngeld schlechter dastehen, als heute mit dem bisherigen Erziehungsgeld, das ja zwei Jahre lang gezahlt wird. Dann würden die viel Geld verlieren.

Das stimmt. Eltern, die wenig Geld haben, haben mit dieser Regelung eine noch geringere Unterstützung. Also sollten diese Eltern weiterhin über zwei Jahre Erziehungsgeld oder eine entsprechende Unterstützung beziehen können.

Haben Sie sich schon beschwert?

Ja, das Ministerium hat aber noch nicht geantwortet. Die Familienpolitiker der Parteien haben gesagt, Einzelheiten seien noch gar nicht beschlossen. Ich hoffe, die ändern da noch etwas.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH

[*]Der Name wurde von der Redaktion verändert.