: Studis in NRW bekämpfen Bezahlstudium
Stinkbomben und Barrikaden – die Proteste gegen Studiengebühren an vielen nordrhein-westfälischen Unis nehmen zu. Denn die Hochschulen müssen einzeln über die Einführung entscheiden. In Köln verhindern 1.500 Studierende eine Senatssitzung
aus KÖLN SEBASTIAN HEISER
Rektor Axel Freimuth hat sich im Neuen Senatssaal der Universität Köln verbarrikadiert. Draußen pfeifen und schreien 1.500 Studierende seiner Uni – gegen die Einführung von Studiengebühren. „Wir wollen rein“, skandieren sie und schlagen mit den Fäusten gegen die Eingangstür. Einige klettern auch auf ein Vordach und hämmern gegen die Fenster.
Unter diesen Umständen musste die Senatssitzung der Uni Köln am Mittwoch ausfallen. Die Polizei eskortierte Rektor Freimuth durch die aufgebrachte Menge, aus der Wasserflaschen auf den Universitätschef flogen. Grund für den Protest: Das höchste Gremium der Universität will in einer weiteren Sitzung am 24. Mai über die Einführung von Studiengebühren und deren Höhe entscheiden.
Denn Nordrhein-Westfalen hat als drittes Bundesland im März ein Gesetz zur Einführung von Studiengebühren erlassen. Ab dem kommenden Wintersemester können die Hochschulen bis zu 500 Euro pro Semester verlangen – zunächst nur für Studienanfänger, ab 2007 für alle Studierende.
Im Unterschied jedoch zu Niedersachsen und Baden-Württemberg stellt die nordrhein-westfälische Landesregierung den Hochschulen frei, ob sie von der Möglichkeit Gebrauch machen – und wie viel Gebühren sie nehmen. Ein geschickter Schachzug der schwarz-gelben Koalition: Gegen das Land regt sich kaum Protest, die Wut der Studierenden entlädt sich bei den Universitäten: Senatssitzungen werden gestört, Räume besetzt oder Wände mit Graffiti besprüht.
In Düsseldorf flog am Dienstag eine Stinkbombe in die entscheidende Senatssitzung. Trotzdem einigte sich das Gremium auf die Einführung des Bezahlstudiums. Als der Senat in Bochum vergangene Woche den Antrag von 2.000 protestierenden Studenten ablehnte, in einem großen Hörsaal weiterzutagen, stürmten die Studierenden den Raum und hielten ihn besetzt – der Rektor ließ die Studierenden von der Polizei heraustragen. In Bielefeld hielten Studis nach der Senatsentscheidung im Februar einen Monat lang das Büro des Rektors besetzt. Als der Universitätschef mit Räumung drohte, zogen sie mit Zelten in die Eingangshalle um.
Auf ein Ablehnen der Studiengebühren hat sich bisher lediglich die Fernuni Hagen geeinigt. Die Universität Münster zögert eine Entscheidung bisher hinaus. Der Rektor hatte sich zwar grundsätzlich gegen das Bezahlstudium ausgesprochen. Bevor jedoch seine Hochschule von Gebührenflüchtlingen überschwemmt wird, müsste auch er es einführen.
Angesichts der Vielzahl von Protesten würden die Unis den schwarzen Peter der Gebührenentscheidung gern an die Landesregierung zurückgeben. Deswegen lädt der Rektor der Universität Bochum beispielsweise Mitte des Monats zum „Betriebsausflug“ zum Landtag ein. Die Studis dürfen dafür unentschuldigt fehlen. Auch die Uni Köln würde die Verantwortung gern nach oben abgeben. „Am liebsten wäre uns, das Land würde einen Betrag für die Studiengebühren festlegen und nicht wir“, sagte der Uni-Sprecher Patrick Honecker der taz.
Besonders gern verweisen die Gebührenfans darauf, dass die landeseigene NRW-Bank ohne Bonitätsprüfung zinslose Kredite in Höhe der Studiengebühr vergibt. Wer jetzt studiert, muss also erst später zahlen. Doch Bildung sollte grundsätzlich frei sein, halten die protestierenden Studis dagegen. Außerdem gibt es den Kredit in der Regel nur für Deutsche. Ausländer müssten die Studiengebühr aus eigener Tasche finanzieren – sie haben aber erhebliche Probleme damit, überhaupt eine Arbeitserlaubnis zu erhalten.
Der nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) zeigte sich unbeeindruckt von den Protesten an seinen Hochschulen. Er bezeichnete die Studiengebühren auf einem Landesparteitag am Wochenende als Erfolg. Er verspricht sich Zusatzeinnahmen für die Universitäten von bis zu 320 Millionen Euro pro Jahr. Die Unis würden dadurch wettbewerbsfähiger und könnten bessere Leistungen anbieten, so Pinkwart. Rektor Freimuth von der Uni Köln ist dagegen momentan in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Seit einer Woche halten rund 100 Studierende sein Büro besetzt.