Nicht mehr nur ausgrenzen und abschieben

Kompromiss bei Einbürgerungen: Schleswig-Holsteins Innenminister Stegner schwärmt von einem „Durchbruch“, sein Hamburger Kollege Nagel setzt weiter auf Verfassungsschutz. Flüchtlingsrat kritisiert Vertagung des Bleiberechts

Als einen „Paradigmenwechsel in der Ausländerpolitik“ hat Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) den gestern erzielten Kompromiss über Eckpunkte für Integration und Einbürgerung bezeichnet: „Wir haben einen Durchbruch für eine verbesserte Integration von Migranten erreicht.“ Bewerber um die deutsche Staatsbürgerschaft müssen künftig bundesweit Sprachtests und Einbürgerungskurse mit anschließender Prüfung absolvieren. In den Einbürgerungskursen sollen staatsbürgerliches Grundwissen sowie die Werte und Grundsätze der Verfassung vermittelt werden.

Darauf hatten sich die Innenminister des Bundes und der 16 Bundesländer nach wochenlangen Verhandlungen gestern auf ihrer zweitägigen Konferenz im bayrischen Garmisch-Partenkirchen geeinigt. Den Ländern bleibt danach künftig überlassen, ob sie die Einbürgerung durch einen Eid oder ein staatsbürgerliches Bekenntnis dokumentieren wollen. Vom Tisch sind jedoch die von einigen Unions-Ländern geforderten Wissenstests in Fragebogenform.

Zum ersten Mal werde in der Ausländerpolitik jetzt parteiübergreifend „nicht mehr einseitig nur von Ausgrenzung, Abschottung und Abschiebung“ gesprochen, schwärmte Stegner. Grundlage dieser Politik sei das Prinzip vom Fordern und Fördern, „das wir in Schleswig-Holstein mit konkreten Inhalten ausgestaltet haben“. Elemente einer „reinen Symbolpolitik“ wie der Eid auf die Verfassung oder „überflüssige und unsinnige“ Fragebögen wie in Baden-Württemberg oder Hessen hätten sich „glücklicherweise nicht durchgesetzt“.

Der Hamburger Innensenator Udo Nagel (parteilos) begrüßte vor allem, dass bundesweit einheitliche Standards vereinbart worden seien. Er hatte im Vorfeld mehrfach vor einem sonst drohenden „Einbürgerungstourismus“ in Bundesländer mit den niedrigsten Anforderungen gewarnt. Er stellte zugleich klar, dass alle Bewerber vom Verfassungsschutz auf unliebsame politische Aktivitäten ausgespäht würden: „Wir wollen ja keine Verfassungsfeinde einbürgern.“

„Enttäuscht“ zeigte sich der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein darüber, dass die Innenminister „die Entscheidung über eine Bleiberechtsregelung einmal mehr auf die lange Bank geschoben haben“. Diese soll erst auf der nächsten Konferenz im Herbst getroffen werden. Bis dahin müsse „ein Abschiebestopp“ erlassen werden, forderte Martin Link, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats. Erforderlich sei „ein großzügiges Bleiberecht“ vor allem für Flüchtlinge, die länger als fünf Jahre in Deutschland leben. Sven-Michael Veit

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