LESERINNENBRIEFE :
Die Macht des großen Geldes
■ betr.: „Sinnlos wanderndes Geld“, taz vom 25. 10. 13
Könnte es sein, dass die Verwunderung in diesem Artikel „Die Reichen in Deutschland setzen auf „Weiter so“, obwohl sie Geld verlieren“ daher rührt, dass es gar nicht ums Geld an sich geht? Steueroasen wird es auch zu Zeiten von Keynes schon gegeben haben, wenn auch nicht in heutiger Größenordnung, und genau deshalb erschien ihm Steuererhöhung als sinnvolles Gegenmittel. Aber den sekündlichen spekulativen Handel, den kannte er noch nicht. Und der ist es, der die extreme Distanz der Spekulationsgelder von der wirklichen Wirtschaftsleistung erst in die heutigen Dimensionen befördert. Inzwischen beträgt dieses sinnlos wandernde Geld trotz zeitweiliger Verluste ein Mehrfaches der Wirtschaftsleistung (BIP). Es geht in Wahrheit um die Macht. Städte, Gemeinden, Länder und Staaten können ihre Aufgaben nicht mehr bezahlen, und nur eine Privatisierung erscheint stets als Retter am Horizont. Zwar wird sie immer mal wieder mit Erfolg abgewiesen oder in Einzelfällen auch zurückgedrängt, aber das Langfristziel ist die Privatisierung aller öffentlichen Güter, die Vollendung der absoluten Macht des großen Geldes. Und die sogenannte oder tatsächliche Systemrelevanz großer Geldhäuser verhindert ein unplanmäßiges Zusammenbrechen des Systems vor der Zielerreichung, indem der Staat mit Steuermitteln einspringen „muss“, wenn es mal brenzlig wird und sich weiter verschuldet – man könnte es als perfekt bezeichnen. Und deshalb ist die „selbstzufriedene Ignoranz“ gar nicht so unverständlich, sie scheint nur ignorant, die entscheidenden Leute wissen schon, was sie tun. Das heißt natürlich nicht, dass Steuererhöhungen nicht sinnvoll wären, aber sie lösten nicht wirklich das Problem. RALF LIEBERS, Sankt Augustin
Wir müssen quer denken
■ betr.: „Sinnlos wanderndes Geld“, taz vom 25. 10. 13
Im Schwabenland würden wir zu dem Artikel „Läddagschwätz“ sagen, denn der einzige Grund, weshalb das Geld ins Ausland wandert, sind die besseren Marktchancen. Schon lange investieren deutsche Firmen lieber in China, Brasilien oder USA als in Deutschland. Dort gibt es eine wachsende Bevölkerung und Konsumnachholbedarf. Eine vorübergehende Lohnerhöhung, über die ich mich natürlich freuen würde, kann das Problem der Demografie und Marktsättigung doch nicht lösen. Wenn, dann bräuchte Deutschland neue Ideen, und die alten Industriedinosaurier müssten umdenken. Steuern in Deutschland helfen weder dem Hunger in der Dritten Welt noch der inländischen Wirtschaft. Nein, wir müssen quer denken und neue Wege gehen. Früher hat das die taz mal gemacht.
ANDREAS GRENZDÖRFER, Weinstadt
Quittung von den „Superreichen“
■ betr.: „Die Verzweiflung der Anleger“, taz vom 26. 10. 13
Ulrike Herrmann meint zum Schluss, dass die Steuerpolitik dieses Missverhältnis korrigieren sollte. Gut, das wollten wir Grüne auch und haben die Quittung dafür von den „Superreichen“ bekommen. Und aktuell wurde bekannt, dass die Steuern bereits erhöht wurden bzw. korrekter: Der Einkommensteuerstrom hat sich um 7 Milliarden Euro verstärkt. Sie fragt sich: „Lohnt es sich jetzt noch, Aktien zu kaufen?“ und meint: „eigentlich nicht“. Das Argument, dass bei steigenden Aktienkursen „der Gewinn pro Aktie“ sinkt, hinkt. Meint sie damit die Dividendenrendite? Die liegt immer noch deutlich höher als auf Sparverträgen, solange die Wirtschaft nicht massiv einbricht. Der Gewinn, den die Firma pro Aktie errechnet, sinkt aber nicht; und der reale Wert einer Firma bzw. Aktie hängt auch nicht vom Kurs ab. Wer überhaupt Geld übrig hat und anlegen muss, für den ist eine Aktie neben Immobilien der sichere Hafen vor der Inflation.
MANFRED WESTERMAYER, Gundelfinden
Steuermoral ist nicht verhandelbar
■ betr.: „Grüner Militärputsch“, taz vom 26. 10. 13
So so, höhere Steuern zu verlangen ist also ein „Gebot“ einer „Übermaßmoral“? Und die Arbeitsmarktreformen Hartz I–IV, die ausschließlich prekäre Niedriglohnarbeitsplätze vermehrt haben, die die Arbeitslosen auf ebensolche zwingen und den Unternehmen noch staatliche Zuschüsse hierzu bringen, diese Reformen zu bedauern sei SPD-„Geheule“? Alle Welt weiß, dass von Altersheimen über Schulen bis zu bröckelnden Infrastrukturen überall staatliches Geld fehlt. Seit den 1980er Jahren hat sich der Anteil öffentlicher Investitionen am Staatshaushalt halbiert, in Euro wird hierfür heute ein Drittel weniger ausgegeben als Anfang der 1990er Jahre. Woher soll das Geld dafür kommen, wenn staatlicher Kreditabbau verfassungsgemäß vorgeschrieben ist? Die Senkungen von Unternehmensteuern während zweier Jahrzehnte waren nicht „pragmatisch“, sondern Interessenpolitik. Steuererhöhungen sind seit Jahren unabweislich, aber die Interessen von Unternehmern und sonstigen Hochverdienern sorgen für eine Stimmung, dass dies nun überhaupt nicht ginge. Man muss sich nur einmal im Südwestländle umhören, wie dessen hart arbeitende Klein- und Mittelunternehmer Schaum vor dem Mund bekommen ob des Ansinnens, von einer Million persönlichen Einkommens im Jahr etwas mehr abgeben zu sollen, und wie sich vor diesen schwäbischen Unternehmern Herr Kretschmann feige wegduckt, den Herr Unfried als „wertegeleitet und integer“ preist! Die Steuermoral ist „nicht verhandelbar“. Und die Umverteilung von unten nach oben à la Hartz widerspricht nicht nur der Gerechtigkeit, sondern führt zu wachsenden Geldüberschüssen „oben“ – Hauptursache der Finanzkrisen, deren Kosten wiederum Merkels Regierung „pragmatisch“ nach unten umlegt. RAINER NEEF, Göttingen