Ist der Euro jetzt gerettet?
ist Journalistin und Herausgeberin des Buchs „Wie das Gemeinwohl zur Privatsache wird“ Foto: R. Schulten
PRO VON NICOLA LIEBERT
Die europäischen Regierungen haben verhindert, dass die Währungsunion Schiffbruch erleidet. Immerhin. Doch jetzt muss das Boot noch so ausbalanciert werden, dass es beim nächsten starken Wind nicht gleich wieder auf Grund zu laufen droht.
So eine Währungsunion ist eine feine Sache für Länder, die stark vom Export leben. Früher stellte die starke Mark für die deutschen Firmen ein Problem dar. Jedes Mal wenn die Mark wieder zulegte, wurden die deutschen Ausfuhren teurer und damit weniger wettbewerbsfähig. Auch die angeblich ach so hohen deutschen Löhne galten als Problem. Das hat sich alles geändert. In der Eurozone gibt es keine Mark-Aufwertung mehr. Und die Löhne sind dank der rot-grünen Arbeitsmarktreformen, dank Zeitarbeit und 400-Euro-Jobs inflationsbereinigt seit Jahren gesunken. Deutschland wurde Exportweltmeister.
Die Sache ist nicht ganz so fein für Länder, wo die Löhne noch stiegen, wie Griechenland, Spanien oder Italien. Den relativen Rückgang ihrer Wettbewerbsfähigkeit konnten sie nun nicht mehr einfach durch eine Abwertung von Drachme, Peseta oder Lira ausgleichen. Jetzt werden Rufe laut, dann müssten sie eben dem leuchtenden deutschen Vorbild folgen. Aber: Wenn alle die Gürtel enger schnallen und zugleich wie die Weltmeister exportieren – wer kauft denn dann die ganzen Waren?
Importe und Exporte, inländische und ausländische Nachfrage müssen wieder ins Gleichgewicht kommen, auch wenn in Deutschland das niemand hören mag. Noch nicht. Doch der Leidensdruck steigt. Die deutsche Wirtschaft hat ein starkes Interesse am Erhalt des Euro. Irgendwann wird auch die Regierung in Berlin einsehen, dass ein „Weiter so!“ den Euro nicht rettet. Schon vor einer Woche hat sie entgegen allen bisherigen Beteuerungen einem Aufdrehen des Geldhahns in der Eurozone zugestimmt. Notgedrungen wird sie auch zu weiteren Kompromissen bereit sein. Am Ende wird es nicht nur eine gemeinsame Geld- und Währungspolitik, sondern auch eine gemeinsame Wirtschafts-, Lohn- und Sozialpolitik in Europa geben.
Nicola Liebert ist Journalistin und Herausgeberin des Buchs „Wie das Gemeinwohl zur Privatsache wird“ Foto: R. Schulten
CONTRA VON ROBERT KURZ
Der Euro war von Anfang an eine Kunstwährung mit elementaren Konstruktionsfehlern. Formal entspricht ihm keine einheitliche politische Souveränität. Die europäische Zentralbank (EZB) ist aber dadurch nicht unabhängiger, sondern ihre Geldpolitik wird zum Zankapfel gegensätzlicher Interessen.
Substanziell ist das Konstrukt erst recht prekär. Der Euro wurde völlig unterschiedlichen nationalen Niveaus von Produktivität und Kapitalkraft aufgesetzt. Diese in sich widersprüchliche Währungsunion war aber die einzige Möglichkeit, in der Globalisierung den anderen großen Wirtschaftsblöcken Paroli zu bieten. Das ging nur so lange gut, wie die von Finanzblasen genährte globale Defizitkonjunktur ihre Scheinblüte entfalten konnte.
Nach dem fälligen Finanzkrach wurde die Krise überall verstaatlicht. Jetzt kommt die zweite Welle als allgemeine Krise des Staatskredits, weil die Geldschwemme der Notenbanken eine schon längst nicht mehr selbsttragende Konjunktur subventionieren muss. Die wild schwankenden Währungsrelationen spiegeln kein Verhältnis von ökonomischer Stärke und Schwäche mehr, sondern die augenblickliche Lage im Verfall der Geldpolitik. Das zeigt sich daran, dass alle Währungen dramatisch gegenüber dem Gold verlieren. Der Euro bildet nur das schwächste Kettenglied in einem globalen Entwertungsprozess.
Diese Schwäche entspricht der Schieflage in der europäischen Binnenkonjunktur. Nationaler Chauvinismus ist ausweglos, denn die Defizite der angeprangerten „Sünder“ sind nur die Kehrseite der deutschen Exportüberschüsse. Das enorme Rettungspaket wird entweder den Euro als erste zentrale Währung inflationieren oder einen deflationären Schock auslösen, wenn im Gegenzug extreme Sparmaßnahmen die innereuropäische Defizitkonjunktur abwürgen.
So oder so ist der Euro nicht haltbar, aber es kann auch keine Rückkehr zu den alten nationalen Räumen geben. Der Zusammenbruch des Euro ist die nächste Etappe in der Desintegration des Kapitalismus. Seine Zauberlehrlinge flüchten vor einer Geldkatastrophe in die nächste.
Robert Kurz ist Autor des Bestsellers „Der Kollaps der Modernisierung“ Foto: Verlag