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Archiv-Artikel

Der Brite, dessen EU-Verfassung drei Seiten hat

Der Konservative Heathcoat-Amory hält es für absurd, einem ganzen Kontinent die gleichen Werte überzustülpen

David Heathcoat-Amory sieht genau so aus, wie man sich einen Briten aus besseren Kreisen vorstellt. Feines blaues Tuch, dezente Krawatte, gepflegtes weißes Haar und ein höfliches Lächeln, das doch irgendwie immer leicht süffisant wirkt. Dieser spöttische Einschlag verstärkt sich, wenn der konservative Abgeordnete aus Wells sich über die Zukunft der EU auslässt. „Auf so einer Vertragsgrundlage würde ich nicht einmal ein Haus mit jemandem teilen – ich würde ausziehen“, hat er einer britischen Zeitung auf die Frage geantwortet, was er von der Verfassung der EU halte.

Es fällt zwar schwer, sich den 55-Jährigen, der im britischen Adelsverzeichnis geführt wird, in einer Wohngemeinschaft vorzustellen. Was er aber damit ausdrücken will, ist das: „Der Rat von Laeken hatte unseren Konvent mit der Aufgabe betraut, Regeln zu finden, die Europa aus der Krise führen. Wir hätten ein einfacheres, demokratischeres Europa schaffen sollen, das seinen Bürgern näher ist.“

Stattdessen hätten die Politiker und „hauptberuflichen Bürokraten“ im Konvent die Sache an sich gerissen. „Giscard d’Estaing, der Präsident des Konvents, hat uns über den Tisch gezogen. Es war der totale Beschiss!“, erzählt er in gepflegtem Upper-Class-Englisch. Zusammen mit sieben anderen Konventsmitgliedern habe er am Ende einen eigenen Verfassungsentwurf eingereicht, nur drei Seiten lang. Ziel sei gewesen, „ein demokratisches Europa zu schaffen, das auf den nationalen Parlamenten aufbaut“. Doch der Konventspräsident habe diese Mindermeinung einfach unter den Tisch gekehrt und behauptet, es gäbe einen Konsens unter allen Teilnehmern.

Heathcoat-Amory, so viel ist klar, hält die europäische Verfassung für einen überflüssigen Haufen Papier. Warum aber ist er dann gestern nach Brüssel gereist, um über die Zukunft dieser Verfassung gemeinsam mit anderen Abgeordneten nachzudenken? „Ich werde natürlich nicht hier im Europaparlament herumlaufen und sagen, Leute, dieses Desaster habe ich euch schon vor drei Jahren prophezeit“, sagt er großmütig. Doch er werde weiter für seine Idee von einem Europa souveräner Staaten werben. Die Europäer hätten schließlich viel miteinander zu regeln, ob das nun Handelsfragen seien oder der gemeinsame Kampf gegen den Terror. Doch die Vorstellung, einem ganzen Kontinent die gleichen Werte überzustülpen, sei völlig absurd. „Ich stehe mit diesem Ansatz keineswegs allein. Da war so ein Chap, Würmeling hieß er, der hatte zum Teil ganz ähnliche Ideen bei der Frage, welche Kompetenzen man von der EU auf die nationale Ebene zurückübertragen sollte.“ Joachim Würmeling, der ehemalige Europaabgeordnete und jetzige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium? „Ja, der wird es gewesen sein. Der Europaabgeordnete Alain Lamassoure war auch oft meiner Meinung, hätte sich aber nie getraut, das öffentlich zu sagen. Wir saßen gemeinsam in einer Arbeitsgruppe, wo es um geteilte Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und Brüssel ging – das war vielleicht ein blödsinniges Thema.“ Heathcoat-Amory schüttelt den Kopf bei der Erinnerung.