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Archiv-Artikel

Voll die Hirnbrause

Die „Aktion Lebendiges Deutsch“ kämpft mit Hilfe des Internets für die Eindeutschung von Fremdwörtern

Dem Kampf für eine reinere Sprache haftete immer etwas Eiferndes an. Das war schon 1642 so, als der Barockgelehrte Philipp von Zesen in Hamburg eine Sprachgesellschaft gründete, während vor den Toren der Dreißigjährige Krieg tobte. Die Gesellschaft wollte die deutsche Sprache vor dem Verfall bewahren, weshalb Zesen und seine Sprachkämpfer ein ganzes Arsenal von Eindeutschungsvorschlägen gegen Fremdwörter in Stellung brachten.

Einige wie „Leidenschaft“ (für Passion) und „Anschrift“ (für Adresse) setzten sich durch. Andere wie „Meuchelpuffer“ (für Revolver) und „Gesichtserker“ (für Nase) hatten weniger Erfolg. Sie galten schon den Zeitgenossen als lächerlich.

Dass Sprachpflege heutzutage massentauglich geworden ist, beweist die „Aktion Lebendiges Deutsch“, die am Montag zur Eindeutschung des Begriffs „Brainstorming“ aufgerufen hat (www.aktionlebendigesdeutsch.de). Die Stiftung Deutsche Sprache, unter deren Federführung die Aktion läuft, ruft zwar schon seit Februar jeden Monat zur Übersetzung von Anglizismen auf. „Dieses Mal haben wir aber zum ersten Mal eine eigene Internetseite geschaltet, weil wir gesehen haben, wie groß das Interesse ist“, sagt Holger Klatte von der Stiftung Deutsche Sprache. Bereits am ersten Tag kamen 1.000 Eindeutschungsvorschläge für „Brainstorming“.

Die „Aktion Lebendiges Deutsch“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von Journalistenausbilder Wolf Schneider, Walter Krämer vom Verein für Deutsche Sprache und Josef Kraus, dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbands. Seit Februar gehen die drei Sprachhüter allmonatlich mit Eindeutschungsvorschlägen für Anglizismen an die Öffentlichkeit. Per E-Mail oder Brief kann die Bevölkerung abstimmen und weitere Vorschläge machen, am Ende des Monats wird die Eindeutschung bekannt gegeben: So setzten sich im Februar „Startseite“ für „Homepage“ durch, und im März wurde dem „Countdown“ die „Startuhr“ entgegengesetzt.

Keineswegs ein Akt von Deutschtümelei, findet Wolf Schneider: „Wir sind überhaupt nicht gegen ausländische Importe, die deutsche Sprache ist ja voll von ihnen. Und wer würde etwas haben gegen die kurzen, praktischen Wörter ‚Start‘ oder ‚Sex‘.“ Man wende sich einfach nur gegen die Übertreibungen wie „Brainstorming“, das nicht mal in Englisch elegant sei: „Es hört sich für englische Ohren ungefähr so an wie für uns ‚Hirnbrause‘.“

Lächerlich? Das sei eben eben Ansichtssache: „Philipp von Zesens ‚Meuchelpuffer‘ war natürlich lächerlich, aber derselbe hatte den geradezu genialen Einfall, aus dem französischen ‚Acteur‘ den deutschen ‚Schauspieler‘ zu machen“, sagt Schneider. „Wir hoffen, dass uns viele ‚Schauspieler‘ und keine ‚Meuchelpuffer‘ unterlaufen.“ Die Aktion soll unbefristet fortgesetzt werden, mindestens bis Jahresfrist. Viel Zeit zum Brainstormen also. MICHAEL AUST