: Gelungener Akt der Emanzipation
FRAUENFUSSBALL Zum ersten Mal ist das Pokalendspiel nicht nur Vorspiel für die Männer. Das sorgt für gute Stimmung nicht nur bei den Siegerinnen aus Duisburg
DUISBURG - JENA 1:0 FCR Duisburg: Holl - Wensing (90.+1 Himmighofen), Krahn, Bresonik, Popp - Kiesel (57. Ando), Hegering - Oster (64. Knaak), Laudehr - Maes, Grings USV Jena: Burmeister - Höfer, Julia Arnold, Radtke, Milde - Utes, Hartmann, Ngo Ndoumbouk, Seiler (69. Schmutzler) - Sylvia Arnold, Anonma Zuschauer: 26.282 in Köln; Tor: 1:0 Annike Krahn (51.)
KÖLN taz | Zum Glück war am Samstagabend auch der nagelneue DFB-Pokal unterwegs im Stadion zu Köln-Müngersdorf. Denn ohne das untrügliche Indiz der silbernen Trophäe, mit der die Duisburger Fußballerinnen ihren dritten Pokalsieg feierten, hätten Beobachter nach dem 1:0-Sieg des Titelverteidigers gegen den USV Jena in einen Zustand ernsthafter Verwirrung verfallen können. Es fehlten die Enttäuschten, die Trauernden, die eigentlich zwingend dazugehören zum Nachspiel eines bedeutsamen Endspiels.
Doch nach diesem Pokalfinale feierten alle. Gewinnerinnen, Verliererinnen, Zuschauer, Funktionäre, einfach alle. „Bei mir überwiegt eindeutig die Freude“, sagte Heidi Vater, die Trainerin der chancenlosen Jenaerinnen. Sie sprach von einem „denkwürdigen Nachmittag“, ihre Augen leuchteten beglückt. An diesen Reaktionen ließ sich gut erkennen, wie sehr die Frauenfußballfamilie zuletzt unter der tristen Nebenrolle gelitten hatte, die ihr Endspiel im Vorprogramm des Berliner Männerfinals gespielt hatte. „Ich war einmal als Zuschauerin in Berlin, und dachte: Ne, das kann’s nicht sein“, erzählte Heidi Vater. In einer schlecht gefüllten Arena, vor den Augen von lauter Menschen zu spielen, die eigentlich gekommen waren, um die Männer zu sehen, mag vor 25 Jahren eine gute Idee gewesen sein, nach den jüngeren Erfolgen des Frauenfußballs war dieses Konzept nicht mehr zeitgemäß.
Die Frauen haben nun einen eigenen Saisonhöhepunkt, und deshalb sprach Verbandspräsident Theo Zwanziger von einem „historischen Ereignis“. Zumal Köln mit 26.282 Besuchern einen neuen Europarekord für nationale Vereinsspiele im Frauenfußball aufstellte. „Das war einfach sensationell, wir wussten ja, dass die Kölner fußballverrückt sind, aber dass sie so verrückt sind, das wussten wir nicht“, sagte Hannelore Ratzeburg, die für den Frauenfußball zuständige DFB-Vizepräsidenten. Und Duisburgs Trainerin Martina Voss-Tecklenburg erklärte: „Die Kulisse hat sich irgendwann selbst getragen und jede Aktion euphorisch begleitet. Das war wunderschön.“
Das Event ist also zu einem gelungenen Akt der Emanzipation geworden, das war der eine Grund, warum sich auch die unterlegenen Jenaerinnen den Genuss einer ausgiebigen Ehrenrunde gönnten. Der zweite Grund für die Freude der Verliererinnen hat mit einem der zentralen Probleme des Frauenfußballs zu tun: In der Bundesliga fehlt die Leistungsdichte. Außenseiterteams wie der Ligaachte aus Thüringen sind praktisch chancenlos gegen die mit Nationalspielerinnen besetzten Spitzenclubs aus Frankfurt, Potsdam und Duisburg. Und so waren die Thüringerinnen ohne ernsthafte Hoffnung auf einen Sieg angereist, standen 90 Minuten unter Dauerdruck, und waren am Ende genauso glücklich mit der knappen Niederlage wie die Favoritinnen mit ihrem Sieg. Duisburgs Trainerin Martina Voss-Tecklenburg hatte „17 Großchancen“ gezählt, ein 8:0 wäre völlig angemessen gewesen, auch mit dem Glück eines Gustav Gans hätte Jena niemals gewinnen können.
Aber immerhin stellten sie die Heldin des Tages. Torhüterin Jana Burmeister trieb die Duisburger Offensive fast in den Wahnsinn, immer wieder bekam die 19-Jährige noch einen Fuß oder eine Hand an den Ball, und zur Not halfen Latte und Pfosten. „Ich habe schon vorher gedacht, das wird mein Spiel, und das habe ich auch allen gesagt“, erzählte Burmeister, die nun davon träumt, irgendwann Nationaltorhüterin zu werden. Auswahlstürmerin Inka Grings, die sich als Fan des 1. FC Köln so sehr ein Tor in ihrem Lieblingsstadion gewünscht hatte, aber immer wieder an Burmeister gescheitert war, erklärte beeindruckt: „Ich muss dieser Torhüterin ein Kompliment aussprechen.“ Nur bei Annike Krahns Kopfballtreffer (50.) war die Torfrau chancenlos.
Für Duisburg war es der fünfte große Titel, am Sonntag durften die Spielerinnen sich auf dem Rathausbalkon feiern lassen. Und Köln wird wohl auch im kommenden Jahr Gastgeber sein für das Frauenfinale, das wegen der WM-Vorbereitung schon im März stattfindet. Zwar müsse das Endspiel von 2010 vor einer Entscheidung erst ausgewertet werden, sagte Ratzeburg, doch der große Erfolg, das nach Sportevents dürstende Publikum, die Attraktivität der Stadt, das Rahmenprogramm, all das ergebe einen ziemlich überzeugenden Mix. DANIEL THEWELEIT