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Archiv-Artikel

Denkzettel für Hongkonger Demokraten

KAMPF FÜR WAHLREFORMEN Radikalen Abgeordneten gelingt Wiederwahl bei umstrittenem „Referendum“ mit dem Makel einer sehr geringen Wahlbeteiligung. Kritiker sprechen von Verschwendung von Steuergeldern

BERLIN taz | Fünf radikaldemokratische Abgeordnete des Hongkonger Legislativrates, die im Januar aus Protest gegen die ihrer Meinung nach zu langsame Demokratisierung der chinesischen Sonderzone zurücktraten, sind bei von ihnen initiierten Nachwahlen am Sonntag alle wiedergewählt worden. Die zwei Abgeordneten der Civic Party und die drei der Liga der Sozialdemokraten (LSD) waren koordiniert in jeweils einem der fünf Wahlkreise der Stadt zurückgetreten, um so eine stadtweite Nachwahl zu erzwingen. Diese bezeichneten sie als „Referendum“ über eine schnellere Demokratisierung und baldige Direktwahlen des 60-köpfigen Stadtparlaments und des Regierungschefs.

Doch die Wahlbeteiligung lag jetzt nur bei 17 Prozent der 3,4 Millionen Berechtigten und verfehlte damit deutlich das selbstgesteckte Ziel von 30 Prozent. Immerhin fiel keiner der fünf durch, doch traten ohnehin nur unbekannte Außenseiter gegen sie an. Die Peking-freundlichen Parteien und die Regierung hatten zum Boykott aufgerufen. Auch die gemäßigte Demokratische Partei stand nicht hinter dem „Referendum“. Peking sprach sich dagegen aus und stürzte damit die lokale autonome Regierung in ein Dilemma. Denn diese war zur Durchführung verpflichtet. Kritiker sprachen von der Verschwendung von Steuergeldern und nannten Rücktritte mit dem Ziel der Wiederwahl unredlich.

Bisher wurde der Legislativrat nur zur Hälfte direkt vom Volk gewählt, der Regierungschef nur von 800 überwiegend Peking-freundlichen Wahlmännern. Geht es nach den Regierungen in Peking und Hongkong, soll der Regierungschef frühestens 2017 und der Legislativrat erst 2020 direkt gewählt werden. Peking hatte nach der Übernahme der Kronkolonie 1997 die von den Briten durchgeführten Wahlreformen zurückgedreht und eine spätere Demokratisierung versprochen, zunächst ohne Zeitplan. Das geht vielen Demokraten aber zu langsam. SVEN HANSEN