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Archiv-Artikel

Missile gegen Makkaroni

Das WM-Spiel USA–Italien. Schon jetzt auf der Wahrheit. Live aus der Lauterer Bud-Arena

Ein Duell zwischen altem Europa und neuer Welt, old school gegen new school

Samstag, 17. Juni, Kaiserslautern. Es ist Punkt 21 Uhr. In der Gruppe E spielt Italien gegen die USA. Das große Kräftemessen zwischen altem Europa und neuer Welt kann beginnen, ein Systemvergleich zwischen der klassisch-italienischen Mortadellataktik und der wüstenkriegsgestählten Spielweise des amerikanischen Teams. Selbstverständlich ausverkauftes Haus. 62.000 in der Lauterer Budweiser-Arena. Die Italiener in Blau-Weiß, logisch, in den Farben ihres Sponsors Barilla. Übrigens der größte Pastaproduzent weltweit – Spaghetti, Fusilli, Penne, Makkaroni – über 100 Sorten, das volle Programm. Doch nun zum Spiel:

Beim ersten Ballkontakt wird Daniele de Rossi durch einen Bodycheck Dempseys zu Fall gebracht. Der Schiedsrichter gibt Freistoß. Luca Toni wird diesen Freistoß mit freundlicher Unterstützung von Campari Soda ausführen. Scharf mit links getreten, aber Gregg Berhalter, der amerikanische Quarterback aus Cottbus, geht dazwischen wie ein Viertelpfünder und verhindert diese Chance.

Nach fünf Minuten erneut eine Standardsituation für die Squadra Azzurra. Ecke, aber del Piero schliddert am Ball vorbei, und es gibt Abstoß. Ja, der Rasen hier ist so glitschig wie Mascarpone von Santa Lucia. Große Oper unter dem Dach der Arena, die erste tolle Chance für die Azzurri. Jetzt aber einmal die Amerikaner. Sie bäumen sich auf wie die Pershings, sie kommen über die rechte Seite über Dempsey, der sucht Danovan, der aus dem Fußgelenk wunderschön auf Cherundolo – und der Hannovamerikaner kann abziehen, aus 17 Metern, ein Mordsschuss mit der Beschleunigung eines Cruise-Missile, aber zwei Meter am Kasten vorbei.

Danovan, einmal hat er schon getroffen für die US-Boys. Spezialist für weite, hohe Einwürfe. Jetzt, so nach 35 Minuten, haben die Amerikaner das Heft in die Hand genommen. Man kennt diese Spielweise ja aus dem Irak. Miller, herrlicher Doppelpass mit Dempsey, ist schon im Strafraum, zu Johnson, aber Buffon geht runter wie ein Fallbeil und tötet einen Unhaltbaren.

Dann auf der anderen Seite das Duell old school gegen new school: Gregg Berhalter geht vor del Piero hoch, und was macht er da? Er nimmt die Hand zu Hilfe! Berhalter mit der Hand – mit der soll er doch lieber mal nur das Bier halten, das ist schon sehr, sehr neue Schule! Aber schön gesehen von Schiedsrichter Dr. Markus Merk, der pfeift Elfmeter. Ja und der wird ihnen präsentiert von Budweiser, dem frischen Hellen aus St. Louis.

Ein Fall für Gattuso. Gennaro Gattuso, das klingt wie ein Fernet Branca bei Sonnenuntergang. Ganz ruhig legt er sich den Ball zurecht, läuft an, er weiß, es gibt nichts Schöneres als ein kühles Bud nach dem Spiel, und er schiebt den Ball ganz cool zum 1:0 für Italien in die rechte Ecke.

2. Halbzeit. Freistoß. Daniele de Rossi hämmert die Kugel an den Pfosten, der wackelt wie eine weichgekochte Makkaroni. Der Druck erhöht sich. Inzaghi tanzt da Cherundolo aus, zieht zwei weitere US-Spieler auf sich und legt für Luca Toni auf. Trockener Rechtsschuss in die Ecke. 2:0 für die Italiener. Die Amerikaner jetzt völlig von der Prinzenrolle.

Aber sie geben nicht auf, setzen jetzt alles auf eine Karte. Danovan völlig frei vor dem italienischen Tor, wo ist Cannavaro? In der ersten Halbzeit hatte er ihn gut an der Leine. Danovan spielt ab. Nesta bringt den Ball nicht weg, völlig verunglückte Rettungsaktion, da hat er wohl ein paar Penne zu viel gefrühstückt, Berhalter muss nur noch abstauben! Anschlusstreffer, nur noch 2:1. Und ich muss sagen, die US-Buddies zeigen ihr großes Kämpferherz.

Jetzt offener Schlagabtausch. Italien versucht das Ergebnis über die Zeit zu retten. Ob das gut geht? Die Männer aus dem Land, wo der Catenaccio blüht, tun einfach zu wenig, und das bei diesem knappen Vorsprung.

89. Minute, nur noch eine Minute reguläre Spielzeit. Foul von Camoranesi an Danovan. Freistoß, vielleicht die letzte Gelegenheit für die Amerikaner, doch noch zum Ausgleich zu kommen. Wer wird es machen? Es wird Clint Dempsey treten. 20 Meter Entfernung zum Tor. Er nimmt einen langen Anlauf, drischt den Ball auf den italienischen Kasten. Wie eine Saturn-Rakete steigt Johnson hoch und köpft das 2:2. Links ins obere Eck, lässt Buffon keine Chance. Aber dieser Johnson – zuerst verstolpert er jeden Ball und jetzt macht es der Texaner einfach mit dem Kopf. Vielleicht liegt es ja an den Chicken McNuggets, die er vor jedem Spiel in sich reinschaufelt. Die Stimmung, sie ist jetzt natürlich auf dem Tiefpunkt bei den Fusilli, jetzt wird es ganz eng, jetzt droht das Vorrunden-Aus für die Barillablauen. Und nun pfeift Schiedsrichter Dr. Markus Merk diese Begegnung ab. Damit zurück in die Funkhäuser. RÜDIGER KIND