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LARS PENNING
Schon lange bewegt mich die Frage, ob man in Ungarn eigentlich Marika Rökk kennt. Für die deutschen Kinogänger war die 1913 in Kairo geborene Sängerin und Tänzerin mit dem charmanten Akzent über Jahrzehnte hinweg die Verkörperung Ungarns. Dabei hatte sie dort nur ihre Kindheit verbracht, ehe sie dann in den späten 20er Jahren eine Karriere als Bühnen-Revuetänzerin begann und ab 1935 zum großen Operetten- und Musicalstar des deutschen Films wurde. Rökks Ausstrahlung war frech, sportiv und burschikos: Als Steptänzerin hatte sie Klasse, Eleganz besaß sie eher nicht. Aber das kam den Musicalfilmen im Dritten Reich entgegen, wo die Musiknummern allzu oft militärisch angehaucht wirkten. Das ist auch in Georg Jacobys Revuefilm „Eine Nacht im Mai“ (1938) so, wie die beiden großen Nummern mit Rökk belegen: Bei der ersten Nummer zeigt sie ihre gymnastischen Tanzkünste (im Spagat mehrere Stufen die Treppe hinunter!) in einem knappen Sportdress, im Revuefinale trägt sie eine Fantasieuniform und wird umringt von zackig marschierenden Marinesoldaten. Dazwischen liegt eine charmante Komödie um ein aus einer Zufallsbekanntschaft hervorgegangenes erstes Date mit Volksfest, Zauberkunststückchen und nächtlichem Nacktbaden im See. Dem fröhlichen Unterhaltungsanspruch zum Trotz ist der Grund, warum „Eine Nacht im Mai“ jetzt im Zeughauskino gezeigt wird, ein unerfreulicher: Der Film kam zwei Tage nach der November-Pogromnacht 1938 ins Kino und ist somit auch ein Beispiel für die Ablenkungsfunktion, die vermeintlich unpolitische Unterhaltungsfilme in der Naziära hatten. (12. 11. Zeughauskino)
Die fantastischen Stummfilmkomödien, die Buster Keaton in den 1920er Jahren drehte, verdanken wir allein der Tatsache, dass man ihn lange Jahre unabhängig und in Ruhe an seinen Werken basteln ließ: Keaton war ein brillanter Regisseur und entwickelte mit einem treuen Team genau jene Gags, die dem Schauspieler Keaton und seinem Sinn für perfektes Timing lagen. Als sein Vertrag Ende der 20er Jahre dann an MGM verkauft wurde, war es damit vorbei: Man beschäftigte plötzlich Dutzende von Gagschreibern für Keaton, besaß jedoch kein Gespür für seine Komik und verheizte ihn schließlich in albernen Burlesken. Sein erster Film für MGM „The Cameraman“ (Regie: Edward Sedgwick) repräsentiert die Übergangsphase. Ein letztes Mal hat man das Gefühl, dass Keaton bei den Dreharbeiten die Kontrolle über die Produktion ausübte: Als Wochenschaukameramann zeigt er seinen Hang zur Reflexion des Mediums Film an sich – und natürlich seine wundervoll komische Fähigkeit, alle Missgeschicke zu seinen Gunsten zu wenden. (10. 11. Arsenal 1)