Volles Gehalt für volle Arbeit

PARLAMENTSREFORM

Das Abgeordnetenhaus ist noch immer Teilzeitparlament

Es soll also effizienter zugehen im Abgeordnetenhaus, zugleich bürgernäher. Das ist die Grundidee, die hinter dem steckt, was die Fraktionen derzeit unter dem großen Schlagwort „Parlamentsreform“ diskutieren. Senatoren sollen sich länger direkt Fragen der Parlamentarier stellen müssen. Die wiederum sollen endlich genug Geld bekommen, um ein Büro zu mieten und einen wirklichen Mitarbeiter einzustellen. Die rund 500 Euro, die die Abgeordneten derzeit dafür zur Verfügung haben, reichen kaum für eine Teilzeitkraft.

Den eigentlich erforderlichen Schritt aber machen die Fraktionen nicht: den zum kleineren, aber deutlich besser bezahlten Vollzeitparlament. Immer noch firmiert das Berliner Abgeordnetenhaus als Teilzeitparlament. Wenn die Abgeordneten auch noch ihrem eigentlichen Beruf nachgehen würden, sorge das für mehr Bodenhaftung – das war und ist ein Argument, das vor allem der frühere Parlamentspräsident Walter Momper immer wieder betonte.

Das aber ist reines Wunschdenken. Die Anforderungen an Berliner Abgeordnete gehen weit über die anderer Landesparlamente hinaus. Denn das Abgeordnetenhaus ist nicht nur Landesparlament, sondern muss auch vieles erledigen, wofür in Flächenländern Gemeinde- und Stadträte zuständig sind.

In den größeren Fraktionen, in denen sich die Arbeit auf mehr Köpfe verteilt, mag sich noch der ein oder andere Freiberufler mit etwas Geschick für Ausschuss-, Fraktions- und Plenarsitzungen in seinem Job freimachen können. In den kleineren Fraktionen hingegen geht das nicht, wenn die Abgeordneten einigermaßen im Stoff sein wollen. Und es ist ja nicht mit den Terminen im Parlament getan: Bürger, Vereine, Initiativen, sie alle erwarten von Abgeordneten, dass diese sich ihrer Themen annehmen und zuhören, und das möglichst regelmäßig.

Diese Arbeit muss vernünftig bezahlt und nicht länger nur mit 3.200 Euro monatlich abgegolten werden. Das ist für einen Hartz-IV-Empfänger viel Geld – für andere aber ein Ausschlusskriterium, Parlamentarier zu werden. Wer anderswo 5.000 oder 6.000 Euro oder mehr verdient, darauf vielleicht seine Wohnungsfinanzierung oder die Ausbildung seiner Kinder abgestellt hat, der hat nicht die Freiheit zu solcher Art von Downsizing.

Das Dumme ist bloß: Sobald es um höhere Abgeordnetendiäten geht, haben alle Fraktionen Angst vor dem Vorwurf der Selbstbedienung. Sie sollten selbstbewusst genug sein, zu sagen, dass sie für gute Arbeit auch gutes Geld bekommen müssen. Tun sie es nicht, könnte das die Vermutung nahelegen, dass sie selbst gar nicht daran glauben, mehr Geld wert zu sein.

STEFAN ALBERTI