Ausländer, deutsch behandelt

Jeden Abend bilden sich vor dem Gitter des Ausländeramtes Schlangen. Nur die ersten 33 bekommen am nächsten Morgen eine Wartemarke. Und ohne Wartemarke kommt niemand ins Amt. Für die Ordnung sorgt ein privater Sicherheitsdienst

von Klaus Wolschner

Seit Wochen geht das schon so: Abends um neun Uhr stellen sich die Ersten am Gittertor des Bremer Ausländeramtes an, weil sie am nächsten Morgen in die Amtsstuben vorgelassen werden wollen. Die Angestellten des Stadtamtes streiken, nur wenige verbeamtete MitarbeiterInnen tun ihren Dienst.

„In keinem europäischen Land ist das so wie in Deutschland“, sagt ein Jugoslawe, der seit 16 Jahren hier lebt und immer noch regelmäßig seine „Duldung“ verlängern lassen muss. Sein Cousin, erzählt er, ist nach Kanada gegangen und nach drei Jahren hatte er einen kanadischen Pass.

Sonntagabend, kurz nach 23 Uhr. Vor dem Tor des großen Hinterhofes, an dem das Bremer Ausländeramt liegt, stehen rund 20 Autos. Rund 60 Menschen warten vor dem Tor. „Wollen Sie KFZ oder Ausländeramt?“, werden Neuankömmlinge hier gefragt. Damit sich in der langen Nacht niemand vordrängelt, führen die Wartenden selbst eine Liste, jeden Abend dasselbe Spiel. „Ich war schon zwei Mal hier, vergeblich“, sagt der Jugoslawe, „jetzt stehe ich auf Platz 29.“ Das sollte reichen, denn rund 33 bekommen jeden Morgen eine Warte-Nummer und werden vorgelassen. Um Mitternacht wird der 78. Name in die Liste eingetragen. „Da hast Du keine Chance“, sagt der Mann aus bitterer Erfahrung. Trotzdem kommen noch einige.

Um zwei Uhr nachts geht dann das Tor auf, alle strömen auf den Innenhof und gehen zu den Absperrgittern, die vor Bundeswehr-Zelten aufgebaut sind. Bei den Absperrgittern (siehe Foto) wird dann erstmals durchgezählt. Wer meint, man könne sich früh in die Liste eintragen und am nächsten Morgen ausgeschlafen wiederkommen, der irrt – wer bei der Kontrolle um zwei Uhr nicht da ist, wird ausgestrichen. Solche Kontrollaufrufe können jederzeit stattfinden.

Die meisten haben keine Ablösung, stehen stundenlang da, treten von einem Bein aufs andere, rauchen. Einige haben Decken mitgebracht. Es ist eine kalte Nacht, auf den Boden legen geht nicht – wo auch. Der Platz innerhalb der Absperrgitter ist klein. Ein Toilettenwagen ist hundert Meter weiter aufgebaut. Wer dorthin geht, muss vorher klarmachen, dass er wieder auf seinen Platz in die Schlange kommt. Trotzdem gibt es danach oft gereizte Worte.

Morgens um halb sieben kommen dann alle, die „nur“ wegen einer KFZ-Anmeldung die Nacht lang gewartet haben, durch „ihr“ Zelt hindurch, kriegen eine Wartenummer. Anders beim Zelt mit dem Schild „Asyl“: Das Gitter wird erstmals um acht Uhr für einen kurzen Moment geöffnet. Drei dürfen rein. Die Stimmung ist angespannt.

Platz 19 in der Schlange hat ein Chinese. Am Anfang stand er weiter hinten, sagt er, aber andere vor ihm wurden von der Liste gestrichen. Seit 23 Uhr steht er da, ein anderer Chinese hat ihm geholfen: Während der eine im Auto geschlafen hat, hielt der andere den Platz in der Schlange. Seit fünf Jahren lebt der eine hier, der Kollege ist gerade neu gekommen – „das ist der General Manager“, sagt er. Die Firma mache „Cargo Inspection“ und habe Büros in Bremen und Hamburg.

Zwölf Männer von dem privaten Wachdienst der Firma Elko sind da und ein Polizeiwagen mit vier Beamten. Aber die Wartenden sorgen meist selbst für Ordnung hinter ihrem Gitter. Einer, der schlafen gegangen war, wollte nicht akzeptieren, dass er dadurch seinen Platz auf der Warteliste verloren hat. Es gibt Streit. Die Polizisten kommen, weisen den Mann vom Hof.

Nur wer im Zelt eine Wartenummer bekommen hat, wird bei den Sicherheitsleuten vorbeigelassen und darf in das Gebäude des Ausländeramtes – und weiter warten. Immerhin ist es da geheizt und es gibt genug Sitzplätze.

Der Jugoslawe, der seit 16 Jahren in Deutschland lebt und seine Duldung verlängern muss, ist erst kurz vor Mitternacht gekommen. „Die Wachleute haben mir gesagt: Schreib mal Deine Telefonnummer auf, wir rufen dich an. Das war vor drei Monaten, niemand hat angerufen. Ich rufe hier an – es geht keiner ans Telefon.“

Hinter ihm wartet eine Krankenschwester aus Peru. Sie ist mit einem Deutschen verheiratet. Mehr als vier Jahre lebt sie hier. Sie kommt wegen der Aufenthaltsgenehmigung. Eine Frau mit Kopftuch und zwei Kindern steht ganz hinten in der Schlange. Seit vier Uhr nachts steht sie da. Listenplatz 112. Sie selbst hat einen deutschen Pass, ihre Kinder nicht. Die Aufenthaltserlaubnis ihrer Kinder ist abgelaufen. Deswegen ist sie da.

Die Leiterin des Ausländeramtes Peggy Xyländer gibt sich zugeknöpft: Auf Anfrage der taz erklärte sie, sie sei nicht berechtigt, Auskünfte über den Sinn der Zustände vor ihrem Amt zu geben.