Immer Ärger mit den Freihändlern

US-ABKOMMEN I EU-Handelskommissar De Gucht muss sich wegen Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten. Doch die Verhandlungen mit Washington soll das nicht stören

Erst die NSA-Affäre, dann die US-Budgetkrise, jetzt das Verfahren gegen De Gucht

VON ERIC BONSE

BRÜSSEL taz | Das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA gerät immer mehr auf die schiefe Bahn. Zunächst wurden die Verhandlungen vom Streit über die NSA-Spionageaffäre überschattet. Dann verzögerte die US-Budgetkrise die Verhandlungen. Nun wollen sich die Handelsexperten ab Montag in Brüssel zu neuen Gesprächen treffen. Doch es gibt schon wieder Ärger. Ausgerechnet der europäische Chefunterhändler, EU-Handelskommissar Karel De Gucht, ist in die Schusslinie geraten. Am Wochenende wurde bekannt, dass sich der Belgier wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten muss.

De Gucht soll 900.000 Euro nachzahlen. Ende November beginnt sein Prozess. Er soll Börsengewinne in Höhe von 1,2 Millionen Euro verschwiegen haben. Normalerweise wäre dies Grund genug, De Gucht von seinem Amt zu entbinden, bis die Vorwürfe geklärt sind. EU-Kommissionschef José Manuel Barroso hatte schon bei kleineren Anlässen durchgegriffen. Im Sommer wurde Gesundheitskommissar John Dalli aus dem Amt gejagt, weil er allzu lockeren Umgang mit Tabaklobbyisten gepflegt haben soll. Die Korruptionsvorwürfe wurden nie belegt.

Die EU-Kommission lehnt einen Vergleich beider Affären ab. „Das ist ein privater Steuerfall, der aus einer Zeit stammt, als De Gucht noch kein EU-Kommissar war“, wiegelt Barrosos Sprecherin ab. Offenbar ist die Freihandelsrunde zu wichtig. Barroso setzt – gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) – alles darauf, um sie am Laufen zu halten.

Bei den Verhandlungen geht es um die bisher größte Liberalisierung der Märkte in Europa und den USA. Fast alle Branchen sollen für den Kommerz geöffnet werden, nur beim Kino gibt es noch eine Ausnahme. In dieser Woche wollen die Unterhändler über Dienstleistungen, Energie und Rohstoffe sowie Investitionen reden. Details wurden, wie in der europäischen Handelspolitik üblich, nicht mitgeteilt.

Nicht einmal das Verhandlungsmandat wurde offengelegt. Dennoch sind wieder Details durchgesickert. Vor allem beim Thema Investitionen gibt es Streit (siehe Interview). Die Kommission möchte im Abkommen Regeln zum Schutz privater Investoren festschreiben. Die Klauseln zum sogenannten Investor State Dispute Settlement (ISDS) würden es US-Konzernen ermöglichen, gegen EU-Länder und nationale Gesetze zu klagen. Doch das geht mehreren EU-Staaten zu weit. Griechenland und Ungarn fordern, den Investorenschutz auszuklammern, da es keinen Grund für neue Regeln gebe: die Rechtssysteme in Europa und den USA seien schon jetzt vergleichbar, Klagen nicht nötig. Staaten wie Deutschland stehen auf der Bremse, weil sie um bestehende Abkommen mit den USA fürchten.